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Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Titel: Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adaobi Tricia Nwaubani
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runter«, sagte mein Vater, als ich fertig war.
    Ich tat wie geheißen. In Gedanken beschäftigte ich mich damit, wo ich übernachten konnte, nachdem mein Vater mich hinausgeworfen hatte. Vielleicht konnte ich mich in der wunderschönen Gruft der Saint Finbarr’s Church mit unter das riesige Dach legen, das sich über die Statue der Heiligen Jungfrau Maria wölbte. Im Katechismusunterricht hatte man uns gesagt, sie sei die Freundin aller kleinen Kinder.
    Mein Vater hielt mit einer Hand meine Hände fest, und in die andere nahm er Mutters Koboko, um mich damit auszupeitschen. Ich wand mich und schrie. Nach zehn Hieben, die mich so zurichteten, dass ich tagelang nicht richtig sitzen konnte, wurde mir verboten, je wieder ein Wort mit Boniface zu wechseln, wenn meine Eltern nicht dabei waren.
    Auch jetzt, so viele Jahre später, war Onkel Boniface für meinen Vater der letzte Abschaum. Deswegen konnte ich verstehen, dass meine Mutter sich davor scheute, das Thema bei ihm anzuschneiden. Doch ich blieb hart.
    »Sprich bitte einfach mal mit ihm und schau, was er dazu sagt.«
    »Na schön«, sagte sie. »Aber ich kann dir nicht versprechen, dass ich es gleich heute mache. Ich muss auf den richtigen Moment warten. Du kennst deinen Vater ja.«
    »Ja«, seufzte ich. Natürlich kannte ich ihn.

7

    Es war nicht bloß so ein Tag, an dem alles schiefzugehen schien. Nein, an diesem Tag musste der Teufel seinen Cadillac mitten durch unseren Innenhof bis direkt vor unsere Haustür gefahren haben. Morgens beim Zähneputzen spürte ich Fremdkörper im Mund und spuckte schnell aus.
    »Kings«, rief meine Mutter vor der Badezimmertür.
    »Ja, Mama?«
    »Wenn du fertig bist, will Papa dich sprechen.«
    »Okay.«
    »Beeil dich. Er will gleich aus dem Haus.«
    Ich schaute ins Waschbecken und sah ein paar Borsten aus meiner Zahnbürste im weißen Schaum ertrinken. Von meinem nächsten Taschengeld würde ich mir eine neue Zahnbürste kaufen müssen.
    Mein Vater saß im grauen Anzug mit passendem Schlips aufrecht auf der Bettkante. Mutter lehnte entspannter hinter ihm auf einem Kissen. Seit seiner Pensionierung verließ er wochentags morgens selten das Haus, es sei denn zur Untersuchung in der Klinik. Doch vergangene Woche war im Radio unablässig die Nachricht wiederholt worden, dass eine Überprüfung der Pensionäre bevorstehe.
    Die Regierung war auf der Jagd nach Gespenstern, die Pension kassierten. Offenbar ließen sich Leute, die vor über zwanzig Jahren aus der Welt geschieden waren, immer noch monatliche Beträge auf ihre Konten zahlen. Und jetzt war die Regierung entschlossen festzustellen, wie viele von den Menschen in ihren Büchern noch atmeten. Die Pensionäre persönlich vorzuladen und ihre Identität einzeln zu überprüfen erschien ihr als die sicherste Methode, wobei allerdings eine solche Prüfung nun schon zum zweiten Mal in nur vierzehn Monaten durchgeführt wurde. Normalerweise wäre meine Mutter längst in ihrer Schneiderei gewesen, aber wenn mein Vater ausging, wartete sie immer auf ihn, damit sie zusammen aus dem Haus gehen konnten.
    »Ja, Papa?«, sagte ich.
    »Deine Mutter hat mir berichtet, dass du Umuahia verlassen willst«, begann er.
    »Ja, Papa.«
    »Weshalb willst du das tun?«
    Ich erläuterte ihm ausführlich meine Gründe. Mit einigen Zusätzen gab ich ihm genau die gleichen an wie meiner Mutter.
    »Lagos kommt nicht infrage«, sagte er, als ich fertig war.
    »Ganz und gar nicht infrage.«
    Er bekam einen Hustenanfall. Meine Mutter beugte sich vor und rieb ihm den Rücken.
    »Könntest du ihnen nicht vielleicht Bescheid geben, dass es dir nicht gut geht?«, fragte sie. »So wie du atmest, solltest du lieber zu Hause bleiben, finde ich.«
    »Hmm. Hast du die Geschichte von Osakwe vergessen?« Bei der Erinnerung wehte mir eine kalte Brise durch die Poren direkt bis ins Mark. Osakwe war ein früherer Kollege meines Vaters, der wegen einer Krankheit unbekannter Ursache mehrere Jahre ans Bett gefesselt gewesen war. Bei der letzten Überprüfung hatten seine Kinder um eine Sonderregelung ersucht, aber die Leute im Pensionsamt hatten darauf bestanden, dass sämtliche Pensionsempfänger – ohne jede Ausnahme – persönlich zu erscheinen hätten. Deswegen riefen die Kinder ein Taxi, hoben ihren Vater zum ersten Mal seit Jahren aus dem Krankenbett und fuhren mit ihm ins Amt. Dort ließen sie das Taxi mit geöffneter Tür stehen und riefen einen der Mitarbeiter heraus, der dann auch tatsächlich kam und die

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