Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Titel: Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adaobi Tricia Nwaubani
Vom Netzwerk:
Abgaben abzupressen. Eine splitternackte Schizophrene mit einem Bündel schmutziger Lumpen auf dem Kopf tanzte ausgelassen auf einer T-Kreuzung, und während sich das Okada durch den Verkehrsstau Richtung Unity Road schlängelte, fiel ich fast vom Sitz, als wir an den verkohlten Überresten zweier Menschen vorbeifuhren, die aufrecht am Rand der Hauptstraße saßen.
    »Was stellst du dich an wie ein Weib?«, lachte der Okada-Fahrer.
    Neben Onitsha war Aba die Hauptstadt der Dschungeljustiz. Die Einwohner von Aba wollten nicht alles dem Staat überlassen. Sie hatten sich den Rat des Edlen zu Herzen genommen und fragten sich, was sie für ihren Staat tun konnten, anstatt sich bloß zu fragen, was ihr Staat für sie tun konnte. Sie hatten beschlossen, ihm bei der Rechtsvollstreckung selbst zur Hand zu gehen. Wenn daher jemand auf frischer Tat ertappt wurde – sei es beim Taschendiebstahl oder bei einer Kindesentführung –, übernahmen es die Leute auf den Straßen, ihn zu verfolgen, holten ihn ein, nahmen ihn gefangen, zogen ihn nackt aus, fesselten ihn in aufrechter Haltung, legten ihm einen alten Autoreifen um den Hals, übergossen ihn mit Benzin und zündeten ein Streichholz an. Der Reifen sorgte dafür, dass die Flammen weiterbrannten, bis von dem Verbrecher nur noch Kohle übrig war.
    Meine Tante hatte sich nicht geirrt: Der Okada-Fahrer wusste genau, wo ich Onkel Boniface finden konnte.
    »Ach, Sie meinen Cash Daddy?«, fragte er. »Wollen Sie zu seinem Firmensitz oder seinem Hotel oder zu ihm nach Hause?«
    »Zu seinem Firmensitz«, erwiderte ich.
    Da mein Onkel in diesem Landesteil gewissermaßen eine Berühmtheit war, wusste ich aus Klatsch und Gerüchten mehr über ihn als aufgrund des Umstandes, dass er mein Verwandter war. Und es fiel mir nach wie vor schwer, die Geschichten von seinem kolossalen Reichtum mit dem Taugenichts zusammenzubringen, der vor so vielen Jahren bei uns gewohnt hatte. Dabei hatte Onkel Boniface nicht erst heute angefangen, schmutziges Geld zu scheffeln.
    Damals, als er bei uns wohnte, war meine Mutter auf eine ganz neue Idee gekommen. Weil sie es leid war, ihre Mädchen für durstige Kunden Getränke holen zu schicken, während diese darauf warteten, dass ihnen Maß genommen wurde oder dass sie fertige Kleider mitnehmen konnten, an denen noch schnell letzte Änderungen vorgenommen wurden, schaffte sie für ihre Schneiderei einen Kühlschrank an, damit sie gleich etwas zu trinken da hatte, wenn ihren Kunden danach war. Die Idee entwickelte sich zu einer Haupteinnahmequelle, da bald immer mehr Leute von der Straße hereinkamen, um bei ihr kalte Getränke zu kaufen.
    Deswegen schlug mein Vater vor, Onkel Boniface könne nach der Schule ins Geschäft gehen und dabei helfen, diese Extrakunden zu bedienen.
    Der Junge hatte bald heimlich die Kunst perfektioniert, die milchig grünen Gingerale -Flaschen zu öffnen, ohne die Kronkorken zu verformen. Nachdem er den echten Inhalt an die Kunden verkauft hatte, bewahrte er die Blechkorken auf und füllte die leeren Flaschen mit einem originellen Gemisch aus Wasser, Zucker und Salz. Dann verschloss er sie wieder mit den Kronkorken und verkaufte das aufbereitete Wasser. Die Einnahmen aus den selbstgepanschten Erfrischungsgetränken wanderten natürlich in seine eigene Tasche. Wenn er den Leuten, die gleich im Laden trinken wollten, die Flaschen hinstellte, riss er mit dem Öffner den Kronkorken weg und machte gleichzeitig mit dem Mundwinkel einen Zischton.
    Meine Mutter sah, wie sich auf den Gesichtern ihrer Kunden nach dem ersten Schluck Verwirrung breitmachte. Sie bekam immer mehr Beschwerden zu hören, und sie suchte nach einer Erklärung für das Rätsel. Eines Tages prahlte Onkel Boniface in einem Augenblick der Leidenschaft vor einem der Schneidermädchen mit seiner Geschäftstüchtigkeit. Die verliebte Schöne fühlte sich verschmäht, als ihr Auserwählter sich einem anderen Mädchen zuwandte. In einem Anfall weiblichen Zorns verpetzte sie ihn.
    Am Tag der schockierenden Entdeckung kam meine Mutter nach Hause und berichtete den Vorfall meinem Vater.
    »Bist du sicher, dass dieser Junge ein Mensch ist?«, fragte er entsetzt. »Bist du sicher, dass er normal ist?«
    »Ich habe ihm vor allen Leuten im Geschäft eine Tracht Prügel verpasst«, sagte meine Mutter. »Ich bin sicher, er hat seine Lektion gelernt.«
    »Eine Tracht Prügel? Du glaubst, Infamie lässt sich mit Schlägen heilen?«
    »Ich denke, es ist sein Alter«, entschuldigte meine

Weitere Kostenlose Bücher