Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
verspreche dir, es dauert nicht lange.«
Sie warf einen Blick auf die Armbanduhr mit einem silbernen Metallband. Sie wirkte nagelneu. Und die Steine wirkten auch echt. Außerdem trug sie ein schmales Glitzerarmband und eine passende Halskette mit Anhänger.
»Na schön, dann sag jetzt, was du mir zu sagen hast.«
Ich wollte sie darum bitten, sich irgendwo mit mir zu treffen, wo wir mehr unter uns waren. Ihr böser Blick verbot mir jede weitere Forderung. So stand ich da – in Hörweite ihrer Mädchen und sämtlicher Kunden, die sich bemüßigt fühlten, die Ohren aufzusperren – und berichtete ihr von Olas Mitteilung, dass unsere Beziehung keine Zukunft habe. Ich bat sie inständig, mir noch ein wenig Zeit zu geben; ich wolle nach Port Harcourt gehen und mir so schnell wie möglich eine Arbeit suchen.
Sie sah mich mit dem merkwürdigen Ausdruck an, den Leute aufsetzen, wenn sie versuchen, jemanden zu verstehen, der eine fremde Sprache spricht. Dann zuckte sie übertrieben mit den Achseln.
»Tja, ich habe beschlossen, mich von nun an nicht mehr dazu zu äußern. Wie es mit dir und Ola weitergeht, geht allein euch etwas an. Aus meiner Sicht könnt ihr schlicht und einfach machen, was ihr wollt.«
»Aber Mama …«
»Ich habe dir gesagt, ich habe zu tun, und du hast gesagt, ich soll dich anhören. Jetzt habe ich dich angehört und dir gesagt, was ich dazu zu sagen habe. Und jetzt muss ich wieder an die Arbeit.«
Damit drehte sie sich um und verschwand in die verräucherte Küche, aus der eine ganze Armee verlockender Düfte auf mich einstürmte.
10
Sowie sich die Nachricht vom schlechten Gesundheitszustand meines Vaters herumsprach, marschierten Freunde, Verwandte und wohlmeinende Seelen an seinem Krankenbett auf. Jeden Tag fanden sich neue Leute ein, um ihm alles Gute zu wünschen und uns zu versichern, dass sie uns in ihre Gebete einschlossen. Manchmal wäre ich am liebsten fortgeblieben, bis sie alle gegangen waren. Doch als Opara war ich verpflichtet, sie zu empfangen und meiner Mutter ein klein wenig von der Last abzunehmen, die sie mit ihrer treuen Wacht an der Seite ihres Mannes trug. Sie ging nur einmal am Tag nach Hause, um sich zu waschen und umzuziehen und nach ihrer Schneiderei zu schauen. Immer wirkte sie mitgenommen. Und wenn sie sich kein Tuch um den Kopf gebunden hatte, sahen ihre schönen Haare aus, als wären sie über Nacht komplett ergraut.
Tante Dimma hatte Ukwa und gebratene Plantanen in einem Warmhaltegefäß mitgebracht, aber meine Mutter hatte kaum etwas angerührt. Als ich eintrat, stand Tante auf, und ihren knallroten, dicken Lippen entschmolz das typisch umwerfende Lächeln.
»Kings, Kings«, säuselte sie in c-Moll. » Opara nne ya!
Mein lieber Herzensjunge, wie geht’s dir?«
Die Umarmung, mit der sie mich fast zerquetschte, dauerte ziemlich lange. Ich fühlte etwas Klebriges am rechten Ohr und hoffte, dass es bloß Gel aus ihrer rotgesträhnten Hochfrisur war. Sie kraulte meine Wangen. Tante Dimma hatte schon immer gern theatralisch getan, aber diese Überdosis verriet mir, dass sie von dem Laufpass wusste, den ich bekommen hatte.
»Grämt euch nicht so, ihr Lieben«, sagte sie. »Ihr müsst einfach auf Gott vertrauen.«
Meine Mutter seufzte schwer.
Tante Dimma wandte sich ihr zu. »Hast du Zweifel?«, fragte sie. »Glaubst du nicht, dass Gott alle Wunden heilt?« Wahrscheinlich weil sie eine befreite Frau war, sprach Tante Dimma gewöhnlich mit lauter, hitziger Stimme, auch wenn sie gar nicht wütend war. Sie hatte zu allem eine Meinung – vom zweitklassigen Status der Frauen im Igbo-Land bis hin zum Status quo in der Äußeren Mongolei. Und sie war stets darauf bedacht, dass ihre Stimme den endgültigen Schlussstrich unter jedes Gespräch zog. Das Einzige, was Tante Dimmas vollständiger Verwandlung von einer befreiten Frau zum vollgültigen Mann im Wege stand, war die Tatsache, dass ihr noch kein Bart gewachsen war.
»Natürlich weiß ich, dass Gott alle Wunden heilt«, erwiderte meine Mutter leise. »Aber ich glaube, dass Gott uns manchmal mit einer Krankheit eine Lehre erteilen will.«
»Wenn das so ist«, sagte Tante Dimma mit einem Grinsen, »warum kommst du dann überhaupt noch ins Krankenhaus?«
Ich schaltete mich ein.
»Mama, was sollen wir wegen des Geldes unternehmen? Gibt es noch jemanden, von dem wir uns etwas borgen können?«
Meine Frage konfrontierte beide Frauen mit der harten Realität. Bis jetzt hatten wir uns einmal etwas von Mister Nwudes
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