Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
Kunstfertigkeit wahrhaft ein Geschenk des Himmels. Sie hatte noch nie versagt.
»Ehrlich, Amerika ist das gelobte Land«, sagte Cash Daddy. »Nicht nur weil die Leute sehr großzügig sind. Im Grunde kannst du erst dann wirklich behaupten, im Ausland gewesen zu sein, wenn du mal in Amerika warst. Kai!« Er hörte auf zu schrubben und riss den Kopf hoch, wie um die vielen Erinnerungen drinzubehalten, die ihm gerade gekommen waren.
»Sind es die Häuser, … ist es das Essen, … sind es die Straßen, … sind es die Frauen, …? Du wirst Frauen aller Art sehen, mit jeder erdenklichen Hautfarbe, du wirst gar nicht wissen, welche du nehmen sollst. Im Amerika wirst du verstehen lernen, warum es gut ist, Geld zu haben, denn du wirst am laufenden Band Dinge sehen, für die du es ausgeben möchtest.«
Er trat aus der Dusche, riss sich ein Badehandtuch von der Stange und fing an, sich abzutrocknen. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, wie der dürre Lümmel, der vor vielen Jahren bei uns gewohnt hatte, sich in dieses Fleischgebirge verwandelt hatte. Cash Daddys Backen waren speckig, seine fünf Glieder dick und lang, sein Hals war wulstig. Ich stellte mir vor, dass sich sein aufgeschwemmter Bauch vom Körper löste und vor uns auf den Fliesen einen Breakdance hinlegte. Das Ding schien sein eigenes Leben zu haben. Er ließ das gebrauchte Handtuch fallen und griff sich eine der vielen Zahnbürsten in einem Glas auf dem Waschbecken.
»Komm und drück mir Zahnpasta drauf«, sagte er.
Ich nahm die Tube Colgate . Trotz meiner außerordentlichen Vorsicht streifte sein Bauch meine Hand. Er hielt mir die Zahnbürste hin, während ich die weiße Paste herausquetschte. Als meine Aufgabe erledigt war, stellte ich einen weniger beklemmenden Abstand zwischen uns her.
»Übrigens«, fuhr er in einem gedämpften offiziellen Ton fort, »ich habe morgen eine Krisensitzung mit dem Polizeipräsidenten, und ich möchte, dass du dabei bist.«
»Haben wir Probleme?« Ich hatte ihn noch nie zum Polizeipräsidenten begleitet.
Cash Daddy räusperte sich lautstark und spuckte aus.
»Man soll die Hand des Affen aus der Suppe ziehen, bevor eine Menschenhand daraus wird. Der Hauptgrund für dieses Treffen ist zu verhindern, dass ein Problem entsteht. Er hat mir nicht viel gesagt, aber wie es aussieht, haben wir hier und da ein, zwei Fehler gemacht, und er möchte, dass wir besser aufpassen.«
Sein Handy klingelte. Ich hob es eilig vom Badeläufer auf und reichte es ihm. Cash Daddy guckte auf die Anzeige und bekreuzigte sich kurz wie ein Priester, der vom Teufel verfolgt wird. Ich wusste sofort, dass es seine Frau war. Irgendwas mit den Kindern. Gespräche mit seiner Frau gehörten zu den seltenen Fällen, in denen Cash Daddy mehr zuhörte als redete.
Als er fertig war, lachte er glucksend und fragte, ob ich die jüngsten Fotos seiner Kinder gesehen hätte. Hatte ich nicht.
»Ah. Ich habe sie gerade bekommen. Komm, ich zeig sie dir.«
Er ging vor mir aus dem Bad, wobei er kurz in der Tür stehenblieb, um sich innen am Schenkel zu kratzen. Dann zog er seine Nachttischschublade auf, holte ein paar Fotos hervor und reichte sie mir mit dem Lächeln, das man hat, wenn man einem lieben Freund ein kostbares Überraschungsgeschenk macht. Ich bemühte mich, entsprechend interessiert zu wirken.
Auf dem ersten waren die fünf Engel und ihre Mutter allesamt fein herausgeputzt – die zwei Mädchen in langen, fließenden Kleidern, die drei Jungen im schwarzen Smoking mit roter Fliege, ihre Mutter in einem hautengen roten Glitzerkleid, in dem sie wie ein großer Goldfisch aussah. Er erklärte, dass sie alle an einer Feier in der Schule des Ältesten teilgenommen hatten. Der ging auf ein exklusives Internat in Oxford.
»Er hat sogar eine Auszeichnung gewonnen.« Cash Daddy strahlte stolz. »Na, das wundert mich nicht. Was vom Python abstammt, wird früher oder später lang. Ich weiß genau: Dieser Junge bringt es einmal weit in der Welt. Weiter noch als ich.«
Die Kinder sahen alle aus wie entfernte Verwandte der Prinzen William und Harry. Elegant und bedeutend. Auf ihren Gesichtern lag nicht der leiseste Hauch jener Ungezähmtheit, die weder diverse Währungen noch weltliche Annehmlichkeiten aus dem Antlitz ihres Vaters hatten vollständig tilgen können. Ich versuchte, mir die gehobene Aussprache vorzustellen, mit der sie redeten. Interessant: Diese Sprösslinge von Onkel Boniface, dem neureichen Krösus, waren die Aristokraten von morgen.
Cash
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