Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
der sich über Skandale immer maßlos empört hatte, nickte er nur und nahm sie zum Anlass, das Leben aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.
»Tja«, sagte er einmal, nachdem er von der Ermordung eines Gouverneurskandidaten im Bundesstaat Ogun gelesen hatte, »wenigstens wird man sich immer daran erinnern, dass er für die Demokratie gestorben ist.«
Jetzt blieb sein Blick auf einen Artikel auf der ersten Seite geheftet, während ich mich neben Protocol Officer setzte und wartete. Schließlich riss Cash Daddy den Kopf hoch.
»Der Staat«, sagte er. »Da liegt das richtig dicke Geld. Weißt du, wie viel Nigeria mit Erdöl verdient? Milliarden und Abermilliarden Dollar. Und es gehört uns allen. Es ist nicht einzusehen, warum Leute wie ich nicht etwas davon haben sollten. Schließlich sind wir alle Nigerianer.«
Er warf die Zeitung auf die dicke schwarze Bibel, die beim Prediger Salomo aufgeschlagen war und auf seinem Schreibtisch lag. Ich erhaschte einen Blick auf die fette Schlagzeile des Artikels, in den er vertieft gewesen war. Scotland Yard verhaftet nigerianischen Staatsgouverneur in London mit £2 Millionen in bar.
»Kings, du bist kein kleiner Vogel mehr«, fuhr Cash Daddy fort. »Es wird Zeit, dass du flügge wirst. Ich habe nächsten Monat ein wichtiges Treffen mit einem Mugu. Sag Dibia, er soll dir die Dokumente für ein britisches Visum fertig machen. Du reist mit mir nach London.«
Mein Herz hüpfte zweimal und überschlug sich dreimal. Meine Eingeweide verknoteten sich. Ich hatte immer wissen wollen, wie es in England aussah, dem berühmten Land der Reiseerzählungen meines Vaters. Aber jetzt sollte ich auf meiner ersten Fahrt einem unserer Mugus von Angesicht zu Angesicht begegnen.
»Was machst du für ein Gesicht?«, fragte Cash Daddy.
Ich musste geguckt haben, als wollte ich auf einen Baum klettern, um mich zu verstecken, und dann den Baum entwurzeln und mit in mein Versteck holen.
»Kings, es gibt keinen Grund, sich zu fürchten. Was kann dir ein Weißer schon tun? Die Oyibos sind harmlos. Ich mach das alles nicht zum ersten Mal. Du hast keinen Grund, dich zu fürchten.«
Doch, ich hatte Grund, mich zu fürchten. Die Columbine-Mörder und der Unabomber und Dr. Harold Shipman. Ich zwang mich, ein etwas weniger entsetztes Gesicht zu ziehen.
»Wo sind die Dokumente?«, fragte Cash Daddy.
Flugs zog Protocol Officer einen Stapel aus einem vor ihm liegenden Ordner. Das musste ein großer Fisch sein. Cash Daddy hatte Leute in Amsterdam, Houston, London, die für ihn arbeiteten. Als Pate griff er nur in den seltenen Fällen direkt ein, wo die finanziellen Aussichten kolossal waren – groß genug, um ein ausländisches Bankkonto nötig zu machen. Er war der Einzige, der die Details und die Standorte dieser ausländischen Bankkonten kannte, der Einzige, der direkt mit den Bankern umging.
»Kings, lies sie durch«, sagte Cash Daddy.
Ich begann mit dem Geschäftsvorschlag ganz oben. Mein linker Mundwinkel zuckte leicht.
»Was ist?«, fragte er.
»Nein, … nichts.«
»Warum lachst du?«
»Ich habe gar nicht …«
Protocol Officer kicherte. Das gab mir das Zutrauen, die Wahrheit zu sagen.
»Ist das sein richtiger Name?«, fragte ich.
»Nein, nein, nein«, rügte uns Cash Daddy mit leiser, ernster Stimme. »Ihr solltet nicht über ihn lachen. Wisst ihr, dass dies der Mann ist, dessen Geld eure Kinder und eure Kindeskinder und die Kinder eurer Kindeskinder ernähren wird?«
Allein deswegen konnte dem Mugu verziehen werden. Schließlich war es nur sein Geld, was wirklich zählte. Aber was um alles in der Welt hatten sich die Vorfahren dieses Mannes dabei gedacht, als sie sich den Namen Winterbottom gaben? Winterhintern!
23
Mit dem Satellitenfernsehen erkaufte ich mir die Befreiung von der Strafe der Network News aus Lagos, zu denen die ganze Nation jeden Tag um 21 Uhr verdonnert wurde, weil dann sämtliche Fernsehsender im Land dazu umschalteten. Hin und wieder jedoch war es sinnvoll, sich über den Stand der Dinge in der Heimat zu informieren, unabhängig davon, wie sehr die Inlandsnachrichten manipuliert waren. Ich griff nach der Fernbedienung und schaltete von BBC auf NTA um.
Ein verärgerter Senator von der dreiunddreißiggrößten Partei war ausgetreten, um selbst eine neue Partei zu gründen. Ein weiterer Milliardär hatte seine Absicht erklärt, sich am Rennen um die Präsidentschaft zu beteiligen. Genau wie ich und meine Mutter Eugene gewarnt hatten, brodelte der Volkszorn im
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