Die Meerhexe
Leute sind. Wir sind im ganzen nur fünf Mann, sollen aber alle im Auge behalten. Wir brauchen schnellstens Verstärkung.«
»Morgen bei Tagesanbruch bekommen Sie über zwanzig Mann. Dann ist nämlich die Ablösung für die Bohrmannschaft fällig. Der Anführer heißt Gregson – Sie erkennen ihn an seinem eindrucksvollen, roten Bart.«
»So lange kann ich nicht warten. Ich brauche die Verstärkung jetzt gleich. Sie haben doch Ihren Hubschrauber auf der Georgia.«
»Und was glauben Sie, habe ich an Bord – eine Ersatzarmee?« Cronkite machte eine Pause und sagte schließlich widerwillig: »Ich kann acht Mann entbehren, aber nicht mehr.«
»Die haben Radar hier.«
»Das habe ich schon gehört. Aber was macht das – schließlich sind Sie doch jetzt der Chef dort.«
»Ja, Mr. Cronkite. Aber Ihre eigene goldene Regel lautet: Gehe nie ein Risiko ein.«
»Wenn Sie hören, daß der Hubschrauber unterwegs ist, setzen Sie das Ding außer Gefecht.«
»Ich soll das Radargerät zerstören?«
»Nein. Wir werden es ganz bestimmt brauchen, wenn wir die Meerhexe erst einmal übernommen haben. Der Schirm ist doch sicherlich oben auf dem Bohrturm installiert.«
»Stimmt.«
»Nun, es ist doch keine Schwierigkeit, ihn anzuhalten – dazu braucht man nur einen schwindelfreien Mann mit einem Schraubenschlüssel. Und jetzt erklären Sie mir genau, wo Lord Worths Privatarmee untergebracht ist – ich brauche die Angaben für Gregson.«
Durand gab die gewünschte Auskunft und legte auf.
Das Krankenrevier und das Labor lagen nebeneinander. Mitchell und Roomer halfen Dr. Greenshaw dabei, seine ziemlich umfangreiche medizinische Ausrüstung auszupacken. Sie wurden natürlich bewacht, aber Aaron stand mit seiner Schmeisser draußen vor der Tür. Man konnte nicht gerade behaupten, daß er sich in alarmiertem Zustand befand. Genaugenommen betrachtete er es als völlig witzlos, hier Wache zu schieben – er war dabei gewesen, als die drei Männer aus dem Hubschrauber geklettert waren, und hatte von ihnen den gleichen Eindruck wie sein Boß. Im Krankenrevier stelle Dr. Greenshaw einen der Kästen mit den Arztutensilien auf den Kopf und entfernte den falschen Boden. Vorsichtig holte er zwei Pistolenhalfter, zwei Achtunddreißiger Smith & Wesson, zwei Schalldämpfer und zweimal Ersatzmunition aus dem Versteck. Mitchell und Roomer bedienten sich wortlos. Dr. Greenshaw, der, wie sie feststellten, in der Lage war, sich im Rekordtempo einer Situation anzupassen, sagte: »Ich hoffe nur, daß niemand bemerkt, daß Sie diese Waffen tragen.«
»Wir danken Ihnen für Ihre Anteilnahme, Doktor«, sagte Roomer, »aber Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen um uns zu machen.«
»Ich mache mir keine Sorgen um Sie«, erklärte Dr. Greenshaw mit düsterer Miene. »Als guter Christ muß ich auch für die Seelen der Gottlosen beten.«
Weit von der Meerhexe entfernt hatte sich der ›Bund der Zehn‹ wieder am Lake Tahoe versammelt. Beim ersten Treffen war die Stimmung von Hoffnung, Unternehmungsgeist, Entschlossenheit und der Zuversicht bestimmt gewesen, daß sich die Dinge in ihrem Sinne entwickeln würden, den sie offiziell darin sahen, einen dritten Weltkrieg zu verhindern. Aber an diesem Abend war das Stimmungsbarometer weit unter den Nullpunkt gesunken. Die Männer waren deprimiert, unsicher und ohne jedes Selbstvertrauen, denn ihre angeblichen Bemühungen, einen Krieg zu verhindern, hatten offensichtlich die entgegengesetzte Wirkung.
Wieder fand das Treffen in Bensons Ferienhaus statt. Aber diesmal war Benson nicht nur der Gastgeber, sondern auch der Wortführer. »Meine Herren«, leitete er die Konferenz ein, »wir haben Schwierigkeiten. Nicht nur gewöhnliche Schwierigkeiten, sondern ganz enorme Schwierigkeiten, die uns allen zum Verhängnis werden können. Sie resultieren aus zwei Irrtümern: wir unterschätzten Lord Worths Macht und überschätzten Cronkites Fähigkeiten, die Situation mit der erforderlichen Diskretion zu meistern. Ich gebe zu, daß es meine Idee war, Cronkite hinzuzuziehen, andererseits waren Sie alle einhellig der Meinung, daß Cronkite der Sache als einziger gewachsen wäre. Aber wir alle wußten nicht, daß Cronkites Abneigung gegen Lord Worth in Wahrheit ungezügelter Haß ist.
Ich habe Freunde im Pentagon – keine wichtigen Männer, aber solche, auf die es ankommt. Beim Pentagon sickern, wie bei jedem anderen Außenministerium, Geheimnisse durch wie durch ein großmaschiges Sieb. Diesmal mußte ich einer
Weitere Kostenlose Bücher