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Die Meerjungfrau

Die Meerjungfrau

Titel: Die Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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die ich in der Nacht zuvor aus Mrs. Baxters Wand gegraben hatte, in einen Umschlag und
hinterließ ihn bei einem Sergeant mit der Bitte, ihn Deane zu übergeben.
    »Bitten Sie ihn, es ins Labor
zu schicken, damit die dort einen Blick darauf werfen. Ja?« sagte ich und
erklärte dem Sergeant, daß ich mit Sam Deane bei der Mordsache Fisher
mitarbeitete.
    »Wie nett von Ihnen«, sagte der
Sergeant. »Sam kann die Hilfe eines Experten brauchen.«
    Ich überlegte, daß der Sergeant
wahrscheinlich nur freundlich sein wollte. Und warum sollte ich ihm außerdem
die Freude an seinem Sarkasmus verderben?
    »Ja, sicher«, sagte ich, »auf
Sams Schultern ruht viel — und ich denke dabei nicht an seinen Kopf.«
    Er begriff nicht. Ich fragte
ihn, ob er wüßte, wo Hank Fisher gewohnt hatte, und er gab mir eine Adresse,
weiß der Kuckuck, wie weit außerhalb der Stadt. Ich war überzeugt, daß dieser
Sergeant niemals Lieutenant werden würde, weil er jedem, der darum bat, so
bereitwillig wichtige Informationen zukommen ließ.
    Zehn Minuten später stieg ich
in das Porsche-Kabrio, ließ den Motor an und bog in den stadtauswärts
fließenden Verkehrsstrom ein. Es dauerte eine weitere halbe Stunde, bis ich
schließlich Fishers Behausung fand. Es war ein heruntergekommenes schmales
Backsteingebäude, noch zwei Jahre und es war eine Slumbehausung.
    Ich stieg aus, trat in den
Vorraum und überflog die Tafel mit den Namen der Hausbewohner. Mr. und Mrs. Fisher hatten die Wohnung acht im zweiten Stock.
    Ich fuhr im Aufzug hinauf,
wartete, bis er schaudernd zum Stillstand gekommen war, und rang dann mit der
knarrenden Tür, um sie aufzubekommen. Als ich in den düsteren Flur hinaustrat,
wurden meine Nüstern durch einen Geruch beleidigt, der zu gleichen Teilen von
alten Kochdünsten, Alter schlechthin und allzu vielen auf allzuwenig Platz zusammengedrängten menschlichen Wesen stammte. Ich wartete, bis sich
meine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, und sah mich dann um.
    Am anderen Ende des Korridors
konnte ich eine Türe erkennen. Ich tastete mich vorsichtig den Gang entlang und
klopfte an diese Tür.
    Gleich darauf hörte ich, wie
sie geöffnet wurde; und der Duft des Parfüms der Frau, die sie aufmachte,
schlug mir entgegen. Statt Chanel 5 zu benutzen, schien sie Old Crow zu bevorzugen. Mrs. Fisher
mochte vor ganz kurzem Witwe geworden sein — aber sie war jedenfalls auch seit
ganz kurzem blau. Ich hätte nur dadurch, daß ich tief inhalierte, auf billige
Weise in denselben Zustand gelangen können.
    Sie blieb auf der Schwelle
stehen und musterte mich von oben bis unten. Blau oder nicht blau, es war ein
Mordsfrauenzimmer, was da stand. Ich konnte nicht umhin, Hank für einen doppelt
unglücklichen Burschen zu halten. Es war schon schlimm genug, zu versuchen, mit
einem Loch im Kopf durch einen Fluß zu kommen, aber zu allem hin auch noch so
etwas hier zurücklassen zu müssen war schon ganz übel.
    Sie stand unter der Tür und
starrte mich an. Sie war groß und sehr schlank und hatte schräggeschnittene
Augen. Selbst unter dem Übermaß an Make-up konnte ich erkennen, daß sie ein
gutgeformtes Gesicht hatte. Ein Gesicht, das zu ihrem Körper paßte . Das schwarze Jerseykleid hätte auf Trauer hindeuten können, aber so wie ihre Brüste hervorsprangen, wie
sich die weiche Rundung ihrer Hüften und die Schmalheit ihrer Taille darunter
abzeichneten, drängte sich einem der Gedanke auf, daß Hank vielleicht
gestorben, sicher aber bald vergessen sein würde. Solches Inventar war nicht
dafür geschaffen, in einem Schaufenster zu verstauben.
    »Was wollen Sie?« Ihre Stimme
klang leicht verschwommen.
    Ich ließ ihr mein bestes
Lächeln zukommen — das, welches garantiert jeden Winkel erhellt. Obwohl es
nicht zu meinem Job gehört, funkelnagelneue Witwen zu trösten, bin ich in
lohnenden Fällen zu Ausnahmen bereit.
    »Ich bin Lieutenant Hansen —
von der Mordabteilung.«
    »Wie nett für Sie. Vor allem,
wenn Ihr Vater ebenfalls Hansen hieß. Was ich bezweifle.«
    Mir wurde klar, daß das Licht
im Flur zu schlecht war, um mir volle Gerechtigkeit angedeihen zu lassen. »Ich
verstehe, daß Sie aufgeregt sind. Ich werde nicht viel von Ihrer Zeit in
Anspruch nehmen — «
    »Worauf Sie sich verdammt noch
mal verlassen können«, pflichtete sie bei.
    Ich überhörte das. »Ich möchte
nur wegen Ihres lieben Mannes ein paar Fragen an Sie richten.«
    »Er war ein Drecksack«,
erklärte sie rundheraus. »Außerdem, was gibt’s da zu fragen? Ich

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