Die Meerjungfrau
selber hatte Mühe, das zu glauben.
Ich hielt an und stieg aus.
Meine Füße hatten erst etwa zehn Sternchen roten Kieses zerdrückt, als sich die
Haustür öffnete und ein großer Neger langsam die Stufen herabkam. Er bewegte
sich mit der Grazie eines Panthers.
» Suh «,
sagte er, »Sie sin’ Mistuh Royal?«
Alexander Bell wäre über diese
Exaktheit der Nachrichtenvermittlung vor Entzücken aus dem Häuschen geraten.
»Ganz recht«, sagte ich und
erwiderte sein Grinsen. Er hatte die weißesten Zähne, die ich außerhalb eines Formalinbads je gesehen hatte.
» Mistuh Hackett wartet auf Sie, Suh .
Hier lang, bitte.«
Ich folgte ihm die Stufen
hinauf. Anscheinend bewahrte Amos Hackett eine
Fassade der Achtbarkeit, die sogar einen Butler im alten Kolonialstil umschloß . Aber ich erwartete von Mr. Amos Hackett selber keinerlei Gastfreundlichkeit im altmodischen
Stil des Südens.
Die Eingangsdiele entsprach
einem Poloplatz. Der rhythmische Schritt des großen Butlers hallte in der Weite
des marmornen Treppenaufgangs wider, der in großem Bogen zum oberen Stock
hinaufführte.
» Mistuh Hackett is ’ im
Arbeitszimmer, Suh «, sagte Onkel Tom und schritt
voran durch einen gewölbten Durchgang in einen Korridor, an dem sich eine große
zweiteilige Schiebetür befand.
Er klopfte, und der eine Teil
der Tür glitt auf. Ich trat hinter ihm ein.
Hinter einem Billardtisch, der
vorgab, ein Schreibtisch zu sein, saß Hackett . Er
erhob sich, als wir eintraten. Auf seinem breiten, gutgeschnittenen Gesicht lag
ein wächsernes Lächeln; und ich bemerkte, daß die Zähne unter dem
bleistiftdünnen Schnurrbart gut waren. Hackett mußte
gut in den Fünfzig sein.
Er kam mit ausgestreckter Hand
auf mich zu.
»Sie sind also Royal?« sagte er
leise.
»Ja«, bestätigte ich.
»Es ist gut, Joseph«, sagte er
zu dem Butler. »Wollen Sie sich nicht setzen, Royal?«
Ich ließ meinen Hut auf die
Lehne des nächsten Ledersessels fallen und setzte mich.
»Zigarre?« fragte Hackett . Ich blickte auf und sah die gravierte silberne
Zigarrendose nur ein paar Zentimeter weit von meinem Gesicht entfernt.
»Nein, danke«, sagte ich. »Ich
bleibe lieber bei meinen Zigaretten.«
Er nickte liebenswürdig und
stellte die Zigarrendose wieder auf den Schreibtisch. Dann ließ er sich auf dem
Rand des Schreibtischs nieder und begann, ein Bein vor und zurück zu schwingen.
»Den medizinischen Berichten
zufolge lebt man länger ohne sie«, sagte er gewandt. »Aber vielleicht ist Ihnen
das egal?«
»Ich würde gerne ein paar
Fragen an Sie richten, Mr. Hackett «, sagte ich.
»Meine Zeit ist die Ihre«, sagte
er höflich.
»Ausgezeichnet — !«
»Aber«, unterbrach er mich
schnell, »erst meine Frage: Kommen Sie in einem geschäftlichen Anliegen?«
»Muß ich das beantworten?«
sagte ich. »Sie wußten, noch bevor ich zu Ihnen fuhr, daß ich hierherkommen
würde. Wieso?«
Hackett kaute auf seiner Zigarre und
beobachtete mich mit seinen blassen Augen.
»Soviel ich gehört habe,
stellen Sie Nachforschungen über einen Mann Namens Joe Baxter an«, sagte er nachdenklich. »Diese Nachforschungen haben sich
hauptsächlich auf die United-World-Fernsehstudios erstreckt.«
»Stimmt!« sagte ich.
»Wie Sie wahrscheinlich wissen,
Mr. Royal, habe ich als Theateragent gewisse Interessen in der United World.
Wenn also alle möglichen Leute anfangen, einigen meiner Stars Fragen zu
stellen, bin ich natürlich interessiert.«
Er lächelte wohlwollend. »Wir
wollen mal sagen, ein guter Theateragent muß für seine Schauspieler und
Schauspielerinnen vieles sein: Freund, juristischer Berater, Beichtvater. Wenn
deshalb einem von ihnen auf — sagen wir mal — inquisitorische Weise Fragen
gestellt werden, so fühlt sich ein guter Agent natürlich beunruhigt.«
»Ich entnehme dem«, sagte ich
bedächtig, »daß Cole Jordan sich natürlich bei Ihnen — seinem Agenten —
beschwert hat, weil ich ihm Fragen gestellt habe?«
Hackett lachte dünn. »Die Vermutung
trifft zu, Royal, bis auf einen Punkt. Sie haben sich in der Person getäuscht.
Es war nicht Cole Jordan.«
»Wer denn dann?«
»Helena Cartwright. Sie hat mir
eine äußerst seltsame Geschichte erzählt. Aber ich vermute, daß Sie selber bestens
Bescheid wissen, Royal. Vielleicht ist das der Hauptgrund, weshalb Sie hier
sind.«
Ich streckte die Hand aus und
drückte die Zigarette in dem silbernen Aschenbecher auf dem Schreibtisch aus. Hacketts Augen flitzten über mein Gesicht, so wie
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