Die Mehrbegabten
Hinrichtungszeitpunkt verständigen. Leben Sie wohl. Ich habe jetzt zu tun.« Er bewegte die Hand, und der wandgroße Bildschirm erlosch.
Die Mitteltür ging auf, und ein schlanker, hochgewachsener, gutgekleideter Mann mit Spitzbart kam schnellen Schrittes herein, eine Aktentasche in der Hand: Horace Denfeld, der sich immer so kleidete.
»Wissen Sie, was ich gerade in Eric Cordons Gehirn gelesen habe?« sagte Grem. »Unbewußt wünschte er sich, daß er sich nie den Minusmenschen angeschlossen hätte, und dabei ist er ihr Führer – soweit sie einen Führer haben. Ich werde ihrer Existenz ein Ende machen, beginnend mit Cordon. Billigen Sie, daß ich Cordons Hinrichtung anordne?«
Denfeld setzte sich und öffnete seine Aktentasche. »Nach Irmas Anweisungen und meinem anwaltschaftlichen Rat haben wir einige Klauseln der Vereinbarung geändert. Hier.« Er reichte Grem ein Dokument. »Lassen Sie sich Zeit, Ratsvorsitzender.«
»Was wird wohl geschehen, wenn Cordon nicht mehr da ist?« meinte Grem, als er den Schriftsatz aufschlug und hier und dort zu lesen begann; vor allem die rot angestrichenen Absätze nahm er sich vor.
Denfeld sagte beiläufig: »Ich könnte nicht einmal eine Vermutung anstellen, Sir.«
»Kleinere Klauseln«, entfuhr es Grem bitter, während er las. »Lieber Gott, sie hat die Alimente für das Kind von zweihundert Pops auf vierhundert im Monat erhöht.« Er blätterte und spürte, wie seine Ohren vor Zorn zu glühen begannen – und vor schierem Entsetzen. »Und den Unterhalt von drei- auf fünftausend. Und – « Er kam zum letzten Blatt; es war übersät mit roten Strichen und per Bleistift eingefügten Zahlen. »Die Hälfte meiner Reisespesen kriegt sie. Und alles, w as ich für bezahlte Reden bekomme.« Sein Nacken war schweißnaß.
»Aber sie überläßt Ihnen das gesamte Einkommen aus schriftlichem Material, das Sie – «
»Es gibt kein schriftliches Material. Wofür halten Sie mich, für Eric Cordon?« Er warf die Unterlagen auf das Bett; eine Weile saß er da und kochte… zum Teil der Dinge wegen, die er gerade gelesen hatte, zum Teil des Anwalts wegen, Horace Denfeld, der ein Neuer Mensch war, so niedrig die Stufe auch war, die er in der Rangfolge der Neuen Menschen erklommen hatte, Denfeld betrachtete alle Außergewöhnlichen – den Ratsvorsitzenden eingeschlossen – nur als Pseudoentwicklung. Grem konnte das in Denfelds Gehirn wahrnehmen: diese niedrige Ebene von Überlegenheit und Verachtung.
»Ich muß darüber nachdenken«, sagte Grem. Ich zeige das meinen eigenen Anwälten, sagte er sich. Den besten Staatsjuristen, die es gibt: denen von der Steuer.
»Ich möchte, daß Sie eines bedenken, Sir«, meinte Denfeld. »Es mag Ihnen in gewisser Hinsicht so vorkommen, als sei es unfair von Mrs. Grem, einen – « Er suchte nach dem richtigen Wort. »Einen so großen Anteil an Ihrem Besitz zu fordern.«
»Das Haus«, bestätigte Grem. »Und die vier Apartmentgebäude in Scranton Pennsylvania. Das alles, und jetzt auch noch dies.«
»Aber«, erwiderte Denfeld ruhig, und seine Zunge strich über seine Lippen wie ein im Wind tanzender Papierdrache, »es ist entscheidend, daß Ihre Trennung von Mrs. Grem um jeden Preis geheimgehalten werden muß – um Ihretwillen. Um der Tatsache willen, daß ein Ratsvorsitzender des Sonderausschusses für Öffentliche Sicherheit nicht zulassen kann, daß auch nur ein Hauch von… nun, sagen wir la calugna …«
»Was ist das?«
»Skandal. Es kann für einen hochgestellten Außergewöhnlichen oder Neuen Menschen natürlich keinen Skandal geben, wie Sie sehr wohl wissen. Aber dies hier zusammen mit Ihrer Position – «
»Ich trete zurück, bevor ich das unterschreibe«, fauchte Grem. »Fünftausend Pops Unterhalt im Monat. Sie ist verrückt geworden.« Er hob den Kopf und starrte Denfeld an. »Was geschieht mit einer Frau, wenn sie eine Trennung oder eine Scheidung erwirkt? Sie will alles, radikal alles. Das Haus, die Apartments, den Wagen, das ganze Geld – « Mein Gott, dachte er und rieb sich müde die Stirn. Zu einem seiner Diener sagte er: »Bringen Sie mir meinen Kaffee.«
»Ja, Sir.« Der Adjutant hantierte an der Kaffeemaschine herum und reichte ihm eine Tasse mit starkem, schwarzem Espresso.
Grem sagte zu dem Gehilfen und zu allen im Zimmer: »Was kann ich tun? Sie hat mich in der Hand.« Er legte die Unterlagen in die Schublade des neben dem Bett stehenden Schreibtischs. »Es gibt nichts mehr zu besprechen«, sagte er zu Denfeld.
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