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Die Mehrbegabten

Die Mehrbegabten

Titel: Die Mehrbegabten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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»Nein«, sagte er. »Ich will mit dir nichts zu tun haben. Mach dein eigenes Leben kaputt; behalte es für dich. Und – geh fort.« Er schob den kleinen Mann hinaus in den Flur; mehrere Türen waren aufgerissen worden, und die verschiedenen Bewohner, von denen er einige kannte, andere nicht, verfolgten gaffend, was sich abspielte.
    Darby Shire sah ihn an, dann griff er ruhig in die Innentasche seines schäbigen Mantels. Er wirkte auf einmal größer und selbstsicherer… wie ein anderer Mensch. »Ich bin froh, Bürger Appleton«, sagte er, als er ein schmales, flaches, schwarzes Etui herauszog und aufklappte, »daß Sie diese Einstellung bewiesen haben. Ich mache Stichproben hier im Haus.« Er zeigte Nick seinen Amtsausweis: Dieser schimmerte stumpf, leuchtete wie von einem inneren Feuer erfüllt. »ÖSD-Agent Darby Shire.«
    Nick spürte eine eisige Kälte in sich aufsteigen, die ihn betäubte, ihm die Kehle zuschnürte. Er wußte nichts mehr zu sagen.
    »O Gott«, sagte Kleo entsetzt; sie trat neben Nick, nach einer Weile folgte Bobby. »Aber wir haben das Richtige gesagt, nicht wahr?« fragte sie Darby Shire.
    »Genau das Richtige«, antwortete Shire. »Ihre Reaktionen waren durchaus angemessen. Guten Tag.« Er steckte das Ausweisetui wieder in seine Innentasche, lächelte kurz und verschwand. Nur die nervösen Hausbewohner blieben zurück. Und – Nick, seine Frau und sein Sohn.
    Nick schloß die Wohnungstür und sah Kleo an. »Man darf keinen Augenblick nachlassen«, sagte er gepreßt. Wie knapp das gewesen war. Einen Augenblick später… und ich hätte ihm vielleicht angeboten, zu bleiben, begriff er. Um der Vergangenheit willen. Schließlich habe ich ihn ja wirklich gekannt. Früher einmal.
    Ich nehme an, deshalb hat man ihn auch ausgesucht, um bei mir und meiner Familie eine Loyalitätsprüfung durchzuführen. Guter Gott, dachte Nick. Er war entsetzt und zitterte am ganzen Körper; mit unsicheren Schritten ging er zum Bad, zum Medikamentenschrank, wo er seine Pillenvorräte aufbewahrte.
    »Etwas Fluphenazinhydrochlorid«, murmelte er und griff nach der beruhigenden Flasche.
    »Das ist heute schon deine dritte«, sagte Kleo erbost. »Zuviel. Hör auf damit!«
    »Keine Sorge«, sagte Nick. Er füllte den Becher mit Wasser und nahm die Tablette ein.
    Er fühlte dumpfen Zorn in sich. Er erlebte einen vorübergehenden Wutanfall, auf das System, auf die Neuen Menschen und die Außergewöhnlichen, auf den Staatsdienst – dann wirkte das Fluphenazinhydrochlorid. Der Zorn verebbte.
    Aber nicht ganz.
    »Glaubst du, daß unsere Wohnung abgehört wird?« fragte er Kleo.
    »Wanzen?« Sie zuckte die Achseln. »Offenbar nicht. Sonst hätte man uns schon längst abgeholt, der schrecklichen Dinge wegen, die Bobby immer sagt.«
    »Ich glaube, viel halte ich nicht mehr aus«, sagte Nick.
    »Wovon?« fragte Kleo.
    Er sagte es nicht. Aber in seinem tiefsten Inneren wußte er, wen und was er meinte. Und sein Sohn wußte es auch. Jetzt standen sie zusammen – aber wie lange werde ich so empfinden? fragte er sich. Ich warte ab, um zu sehen, ob Bobby seine Staatsdienstprüfung bestanden hat. Dann entscheide ich, wie es weitergehen soll. Gott behüte, dachte er. Was denke ich da? Was geht mit mir vor?
    »Das Buch ist noch da«, sagte Bobby. Er bückte sich und hob das zerfetzte Taschenbuch auf, das Darby Shire zurückgelassen hatte. »Kann ich es lesen?« fragte er seinen Vater. Er blätterte darin herum. »Sieht echt aus. Die Polizei muß es einem Minusmenschen abgenommen haben, den sie gefaßt hat.«
    »Lies es«, sagte Nick wild.

    3

    Zwei Tage später lag ein Brief von der Regierung im Briefkasten der Appletons. Nick öffnete ihn sofort. Sein Herz vibrierte vor Erwartung. Es waren wirklich die Prüfungsergebnisse; er überflog die Seiten – eine Fotokopie von Bobbys schriftlicher Arbeit war beigefügt – und kam endlich zur Bewertung.
    »Er ist durchgefallen«, sagte Nick.
    »Das wußte ich«, sagte Bobby. »Deshalb wollte ich die Prüfung erst gar nicht machen.«
    Kleo begann leise zu schluchzen.
    Nick sagte nichts, dachte nichts; er war leer und betäubt. Eine Hand, die kälter war als die des Todes, umklammerte sein Herz und tötete jede Empfindung.

    4

    Willis Grem, Ratsvorsitzender des Sonderausschusses für Öffentliche Sicherheit, griff nach seinem Direktofon und sagte spöttisch: »Was macht die Gefangennahme von Provoni, Direktor? Irgendwelche neuen Nachrichten?« Er lachte in sich hinein. Der Himmel wußte, wo

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