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Die Mehrbegabten

Die Mehrbegabten

Titel: Die Mehrbegabten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Gleichzeitig?«
    »Vielleicht Millionen«, sagte Ed leise.
    »In der kurzen Zeit?« fragte Nick.
    »Ich fühle mich miserabel«, erklärte Charley gereizt. »Ich fühle mich, als bekäme ich meine Periode. Ich lege mich jetzt hin.« Sie verschwand im Schlafzimmer. Die Tür schloß sich hinter ihr.
    »Es tut mir leid, Mr. Lincoln«, sagte Ed Woodman ironisch, »ich habe jetzt einfach keine Zeit, mir die Notizen anzuhören, die Sie sich für die Gettysburger Rede gemacht haben.« Seine Stimme klang rauh und sarkastisch, sein Gesicht war vor Wut dunkelrot geworden.
    »Sie hat Angst«, meinte Nick. »Deshalb ist sie hineingegangen. Es ist zuviel für sie. Ist es nicht zuviel für jeden von uns? Man nimmt es mit dem Verstand wahr, aber gefühlsmäßig wird es nicht verarbeitet. Ich sehe den Bildschirm, ich weiß, was ich sehe, aber« – er gestikulierte – »nur der Vorderlappen meines Gehirns erfaßt, was ich sehe. Und höre.« Er ging zur Schlafzimmertür und öffnete sie einen Spalt. Sie lag auf dem Bett, in merkwürdigem Winkel, das Gesicht zur Seite gedreht, die Augen weit offen. Nick schloß die Tür hinter sich, ging langsam auf das Bett zu und setzte sich auf die Kante.
    »Ich weiß, was es tun wird«, sagte sie.
    »So?«
    »Ja.« Ihre Stimme klang tonlos. »Es wird Teile ihrer Gehirne ersetzen und sich dann zurückziehen und nichts hinterlassen. Ein Vakuum. Sie werden lebende, hohle Hüllen sein. Wie bei einer Lobotomie. Erinnern Sie sich daran aus der Schule, an die Texte über die irren psychiatrischen Praktiken des 20. Jahrhunderts? Enthirnt wurden die Leute. Das Ding will die Rogers-Knoten entfernen und mehr – es wird sich nicht damit begnügen. Es hat Provoni nicht beeinflußt; er hat es überzeugt.«
    »Woher wissen Sie das?« fragte Nick.
    »Nun, es ist keine lange Geschichte. Vor zwei Jahren habe ich vollständige G-Zwei-Tests gefälscht – mit befriedigenden Ergebnissen. Eine Weile hatte ich also Zugang zu staatlichen Unterlagen, und einmal fragte ich nur so zum Spaß nach Informationen über Provoni, ich beschaffte mir die sogenannte ›Provoni-Akte‹ und trug sie unter dem Mantel heimlich nach Hause. Es waren hauptsächlich Mikrofilme. Und ich saß die ganze Nacht da und las. Ich brauche viel Zeit zum Lesen.«
    »Und ist er so? Rachsüchtig?«
    »Er ist besessen. Er ist das, was Cordon nicht war. Cordon war ein vernünftiger Mann, eine rationale politische Figur, die zufällig in einer Gesellschaft lebte, in der abweichende Meinungen nicht zugelassen waren. In einer anderen Gesellschaft wäre er ein großer Staatsmann gewesen. Aber Provoni – «
    »Die Jahre haben ihn vielleicht verändert«, sagte Nick. »Fast die ganze Zeit allein… in dieser Zeit muß er sich viel mit sich selbst beschäftigt haben.«
    »Konnten Sie es heute nicht hören? Vorhin?«
    »Nein«, sagte Nick wahrheitsgemäß.
    »Ich wurde fristlos entlassen und erhielt eine Geldstrafe, und damit war ich vorbestraft. Ich habe dann noch einiges hinzugefügt.« Sie schwieg einen Augenblick. »Denny auch.« Sie hob den Kopf. »Gehen Sie hinein und verfolgen Sie, was geschieht. Bitte. Wenn Sie es nicht tun, gehe ich hinein, und ich kann es eigentlich gar nicht, also gehen Sie, ja?«
    »Okay«, sagte er. Er verließ das Schlafzimmer und wandte sich wieder dem Bildschirm zu.
    Hat sie recht? fragte er sich. Was für ein Mensch ist Provoni? Das ist nicht das, was wir gehört haben… von den Druckerpressen der Minusmenschen. Wenn sie so fühlte, wie konnte sie Cordons Schriften verkaufen? Aber es waren Cordons Pamphlete gewesen, dachte er. Vielleicht hielt sie so viel von ihm, daß ihr Mißtrauen gegen Provoni unterdrückt wurde.
    In Gottes Namen, dachte er, ich hoffe, daß sie sich täuscht; daß sie das mit den Neuen Menschen nicht machen – sie lobotomisieren, alle zehn Millionen! Einschließlich der Außergewöhnlichen, wie Willis Grem.
    Etwas fegte in sein Gehirn, ein Wind wie aus der Hölle. Er preßte die Hand auf die Stirn, krümmte sich in – Qual? Nicht Qual. Es war eher ein merkwürdiges Gefühl, als starre er in eine riesige, schwarze Grube und falle dann ganz langsam, mit Zeitlupenbewegungen, hinein.
    Das Gefühl verschwand plötzlich wieder.
    »Ich bin gerade ausgeforscht worden«, sagte er mit zitternder Stimme.
    »Wie war es?« fragte Elka.
    »Er zeigte mir das All ohne Sterne. Ich möchte das nie mehr sehen, solange ich lebe.«
    »Hören Sie«, sagte Ed Woodman. »Im zehnten Stockwerk wohnt ein Neuer Mensch von

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