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Die Mehrbegabten

Die Mehrbegabten

Titel: Die Mehrbegabten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Taschen, um zu sehen, ob etwas herausfallen und im Gras verlorengehen konnte. »Autoschlüssel?« fragte sie. »Ausweise? Ach was, setz dich auf.« Er tat es, und sie zog seine Jacke aus, um sie auf den Boden zu legen. »Dein Hemd«, sagte sie, und so ging es weiter, bis sie endlich bei sich selbst anfing.
    »Was für kleine Brüste du hast«, sagte er, als er sie im schwachen Sternenlicht betrachtete.
    »Hör mal«, erwiderte sie brüsk, »es ist nicht so, daß dich das etwas kostet.«
    Sein Herz schmolz. »Nein, natürlich nicht«, sagte er. »Ich möchte nicht, daß du das tust.« Er legte die Hand auf ihre Schulter. »Es ist nur, weil du es hier mit Denny getan hast.« Für dich mag es sein wie früher, dachte er, aber über mir hängt ein Gespenst: das dionysische Gesicht des jungen Mannes. Soviel Leben, und einfach ausgelöscht. »Das erinnert mich an ein Gedicht von Yeats«, sagte er. Er half ihr, den Pulli auszuziehen. Man konnte sie schnell überstreifen, bekam sie aber nur schwer wieder herunter, wenn sie sich erst einmal der Körperform angepaßt hatten.
    »Ich sollte mich nur mit Farbe besprühen«, sagte sie, als sie den Pulli fortwarf.
    »Da bekommt man die Textur nicht hin«, meinte Nick. Nach eine Weile fragte er: »Magst du Yeats?«
    »War der vor Bob Dylan?«
    »Ja.«
    »Dann will ich nichts von ihm hören. Für mich hat die Poesie mit Dylan begonnen und mit ihm aufgehört.«
    Gemeinsam zogen sie sich ganz aus. Eine Weile lagen sie nackt im kalten, feuchten Gras, und dann drehten sie sich einander gleichzeitig zu. Er rollte sich auf sie, hielt sie fest, starrte auf ihr Gesicht.
    »Ich bin häßlich«, sagte sie. »Nicht wahr?«
    »Das denkst du?« Er war entsetzt. »Hör mal, du bist eine der attraktivsten Frauen, die ich je kennengelernt habe.«
    »Ich bin keine Frau«, sagte sie sachlich. »Ich kann nichts geben. Ich kann nur nehmen, nicht geben. Erwarte also nichts von mir, nur, daß ich jetzt hier bin.«
    »Dem Gesetz nach ist das Notzucht«, meinte er nach einer Weile.
    »Hör zu, das Ende der Welt ist gekommen«, sagte Charley. »Wir werden von einem Ding, das nicht getötet werden kann, übernommen und neurologisch zerstört. Was für ein Polizist wird dich in so einem Augenblick festnehmen? Außerdem müßte erst einmal eine Anzeige erfolgen, und wer macht die? Wer wäre Zeuge?«
    »Zeuge«, sagte er und preßte sie kurz an sich. ÖSD-Überwachungssysteme… wahrscheinlich gab es im Central Park auch eines, inzwischen vergessen. Er zog sich von ihr zurück und sprang auf. »Zieh dich schnell an«, sagte er und griff nach seinen Sachen.
    »Wenn du glaubst, daß hier ein Monitor – «
    »Ja.«
    »Glaub mir, sie beobachten alle den Times Square, ausgenommen jene, die Neue Menschen sind, wie Direktor Barnes. Sie werden sich um die Geschädigten kümmern.« Sie setzte sich auf und schob die Hände in das zerzauste, grasnasse Haar. Ein Gedanke überfiel sie. »Also Willis Grem. Es tut mir leid, aber ich mochte ihn eigentlich.« Sie griff nach ihrer Kleidung, ließ sie wieder fallen und sagte flehend: »Schau, Nick, der ÖSD kommt uns nicht holen. Ich will dir sagen, was ich mache. Du liebst mich noch ein bißchen, fünf Minuten oder so. Dann kannst du mir das – was ist es? – das Gedicht vorlesen.«
    »Ich habe das Buch nicht dabei, das weißt du.«
    »Hast du das Gedicht im Kopf?«
    »Ich glaube.« Angst, wie eine Flutwelle in seinem Herzen aufbrandend, brachte ihn zum Zittern, als er seine Sachen wieder weglegte und sich dem Mädchen näherte. Als er die Arme um sie legte, sagte er: »Es ist ein trauriges Gedicht. Ich dachte an Denny und diese Stelle hier, wo ihr mit der ›Roten Seekuh‹ gewesen seid. Es ist, als sei sein Geist hier begraben.«
    »Du tust mir weh«, beklagte sich Charley. »Mach langsamer.«
    Wieder stand er auf und begann sich methodisch anzuziehen. »Ich kann das Risiko nicht eingehen, geschnappt zu werden«, sagte er, »wenn diese Killer hinter mir her sind.«
    Sie rührte sich nicht. Dann meinte sie: »Sag mir das Gedicht auf.«
    »Ziehst du dich an, während ich es aufsage?«
    »Nein«, antwortete sie, zu den Sternen hinauf starrend. »Provoni ist von da oben gekommen. Mein Gott, ich bin ja so gottverdammt froh, daß ich kein Neuer Mensch bin!« Sie ballte die Fäuste und setzte hinzu: »Er macht es richtig – aber sie tun einem leid, die Neuen Menschen. Lobotomie. Ihre Rogers-Knoten fort und weiß Gott was noch alles. Chirurgie aus dem Weltraum.« Sie lachte.

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