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Die Meister der Am'churi (German Edition)

Die Meister der Am'churi (German Edition)

Titel: Die Meister der Am'churi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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wieder Blut vergießen müssten. Ich weiß nicht, warum ich ihm überhaupt vertraute. Er schien den Frieden herbeizusehnen, so ehrlich überzeugt von dem, was er sagte.“
    „Er glaubte es wahrhaftig“, sagte Ni’yo leise. „Er glaubte, es wäre die gerechte Lösung für beide Völker. Ich habe seine Art des Glaubens kennengelernt. Sie ist gefährlicher als Hass.“
    „Ja. Es macht ihn zu einem schrecklicheren Feind als jeden, der offen versucht, mich zu erschlagen. Ilanrin wollte uns nicht ausrotten, sondern eben nur kontrollieren. Wir folgten ihm in diese Höhle, die, wie er sagte, unzählige Ausgänge ins Freie besitzen sollte. Da er uns dafür einen Zugang zu den unterirdischen Städten offenbarte, waren wir sicher, dass es keine Falle sein konnte, und ich hatte alle meine Geschwister sowie die Stärksten von unseren Nachgeborenen mitgenommen. Keiner von uns war glücklich, überhaupt zu diesem finsteren kalten Ort gekommen zu sein, und wir wollten dieses Angebot ablehnen. Doch mit einem Mal waren die vielen Elfen, die uns begleitet hatten alle fort und die Höhle versiegelt. Und so begann unser Untergang.“ Charur stampfte mit den Vorderpranken auf, dass der Boden zu beben begann.
    „Hunger, Ni’yo. Kannst du dir das vorstellen? Wir Drachen, Herrscher über Himmel, Erde und Wasser, selbst wir Alten, die wir aus dem schieren Feuer der Himmelsmächte entsprungen sind, wir wurden vom Hunger besiegt. Anfangs schickten die Elfen uns reichlich Nahrung, lebendige Stiere und Wildschweine. Auch wenn es viel zu sein schien, es reichte nicht für über zweihunderttausend von uns.“
    „Zweihun… Ist dein gesamtes Volk mitgekommen?“, fragte Ni’yo schockiert.
    „Nein. Kalesh hat uns verraten.“ Charur brüllte, und unzählige Drachen fielen mit ein, bis Ni’yo sich am Boden zusammengekauert wiederfand, im verzweifelten Versuch, sich vor dem Schall zu schützen, der seinen gesamten Körper vibrieren ließ.
    „Wir folgten den Elfen in diese Kaverne, eine stattliche Armee, doch gewiss nicht ein Volk mit Weibchen und Jungtieren. Als Kalesh die Bitte der Elfen erhörte und die Ausgänge magisch versiegelte, zwang seine Macht alle Drachen dieser Welt zu einer Entscheidung. Sie konnten entweder hierher fliegen, in ihre Verdammnis, oder sterben. Nahezu alle sind gekommen, und als der letzte bei uns war, schloss Kalesh das Siegel endgültig, von beiden Seiten.“
    „Warum?“, flüsterte Ni’yo fassungslos. „Er ist einer von euch, er ist …“
    „Kalesh hat niemals wirklich gelebt. Er war schon lange ein Gott, als wir alten Drachen schlüpften. Seine Sicht auf die Lebendigen ist nicht unsere.“
    Charur ließ den Kopf hängen. Mit einem Mal wirkte er erschöpft. Eine uralte Kreatur, die so viel Leid erfahren und verursachen musste, wie Ni’yo es nicht einmal annähernd ermessen konnte.
    „Kalesh hatte erkannt, dass der Ewige Krieg sowohl Drachen als auch Elfen in den Untergang treiben und halb Aru zerstören würde. Dann wäre er allein in der Unendlichkeit der Zwischenwelt gewesen, ohne nennenswerte Schicksale, die es zu beobachten und zu verfolgen lohnen könnte. Darum strafte er uns alle: Die Drachen gingen in Gefangenschaft, die Elfen blieben in den Schatten gefangen, die sie einst als Zuflucht gewählt hatten. So verhinderte er ein Zeitalter einsamer Finsternis in dieser Welt.
    Die Elfen sollten uns am Leben halten, sie waren verpflichtet uns zu füttern und das taten sie. Doch sie wussten nicht, dass mittlerweile ein ganzes Volk hier unten gefangen saß statt einer kleinen Armee, denn Kalesh hat es ihnen verschwiegen. Es war also keine Bosheit ihrerseits, dass wir zu hungern begannen.“ Noch tiefer sank das mächtige Haupt, und alles Licht erlosch in Charurs Augen.
    „Drachen ertragen Hunger nicht länger oder kürzer als andere Lebewesen. Wir brauchen nur drei, vier Mal in einem Jahr Nahrung, dann allerdings große Mengen. Am’chur war der Erste, der dem Hunger nicht standhielt. Oder vielleicht dem Zorn, der in ihm brannte, Zorn auf mich, der ich mitschuldig war an dem Elend, weil mich meine Rache so weit getrieben hatte. Zorn auf die Elfen, besonders Ilanrin, der uns so sehr verraten hat. Zorn auf Kalesh – und über das, was der Hunger uns antun würde. Das, was er voraussah und nicht ertragen wollte. Er versteinerte seinen Körper, war damit weder tot noch lebendig, und stieg als Gott auf in die Zwischenwelt. Ein Weg, den ich niemals beschreiten könnte.“ Abrupt fuhr der alte Drache hoch.

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