Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Meister der Am'churi (German Edition)

Die Meister der Am'churi (German Edition)

Titel: Die Meister der Am'churi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
Vom Netzwerk:
Als Junge magst du ihn gebraucht haben, sonst hätte deine eigene Macht dich überwältigt. Doch jetzt bist du ausgereift. Solange er dich kontrollierte, konntest du nicht auf deine Drachenkraft zugreifen. Dieser Körper da hemmt dich, er ist ungeeignet, um deine wahre Macht entfalten zu können. Vielleicht taugst du gar nicht für meine Rache? Gib dich aber keiner Hoffnung hin, ich töte dich nicht. Ich weiß, dass dir deine Schwester nachfolgen würde. Ob sie leichter zu brechen wäre, weiß ich nicht, jedenfalls ist eine Jaguarseele für mich uninteressant.“
    Ni’yo stöhnte erneut, als Charur ihn unsanft ablegte und begann, an seinen Beinen zu zerren, bis alle Knochen gerichtet waren.
    „Zu viel Schmerz, du musst viel zu viel Kraft verschwenden, alles Mögliche zu empfinden und wahrzunehmen, um überhaupt überleben zu können. Als Drache kann dich nur wenig verletzen, du bist frei, deinen Geist auf Wichtigeres zu konzentrieren als darauf, diesen jämmerlichen Knochensack am Leben zu halten!“
    „Du lügst“, presste Ni’yo zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er weigerte sich nach wie vor, mit Charur geistig zu sprechen. „Es sind eure verhungernden Leiber, die euch zerstören. Es war etwas so simples wie anhaltend schlechtes Wetter, das euch überhaupt erst in die Täler und damit in den Krieg geführt hat. Die Götter, jene, die ihre Körper hinter sich gelassen haben, sind nun nicht mehr von Wind und Nahrung abhängig, doch alles, was wahrhaftig lebt, braucht diesen Aufwand. Welchen Grund sollte es auch sonst geben, sich mit dem Leben abzumühen?“
    „Du hörst nicht zu, Ni’yo“, tadelte Charur amüsiert. Zumindest klang seine Stimme belustigt.
    „Deinen Mensch-Elfen-Leib musst du ununterbrochen nähren, waschen, vor allem schützen, was irgendwie gefährlich sein könnte, und einen Großteil der Nacht mit Schlaf verschwenden. Ein Drache schläft selten und muss nur einige Male im Jahr essen. Wie viel Zeit hättest du da, um deinen Verstand, deine wahre Macht zu nähren und zu pflegen! Wie viel Wissen könntest du erwerben, in gelassener Ruhe über all das nachdenken, was dich unentwegt beschäftigt! Du hast die Seele eines Drachen, nutze sie endlich!“
    „Gewiss. Als dein willenloser Sklave hätte ich ach so viel Muße, um zu denken und zu träumen“, versetzte Ni’yo kraftlos. Seine Beine hatten zu heilen begonnen, aber Drachenmacht hin oder her, es würde einige Tage dauern, bis er wieder laufen konnte. Das würde viel Energie kosten, die er ohne Nahrung nicht ersetzen konnte. Zudem war seine Schulter nicht gerichtet, und all die Prellungen und Schürfwunden des Aufpralls sowie die noch nicht gänzlich verheilten Quetschungen begannen sich nun auch zu melden.
    Seltsamerweise wandte sich Charur von ihm ab und verschwand aus seinem Gesichtsfeld. Ni’yo robbte mühsam näher an die Felswand heran, wo er sich sicherer fühlte, und versuchte, auf der unverletzten Seite liegend in Heilschlaf zu versinken. Sein rechter Arm würde gebrauchsunfähig werden, wenn die Knochen schief heilten und das Schultergelenk nicht gerichtet wurde. Es war ihm im Augenblick gleichgültig.
    Aber da war der Drache bereits zurück und riss ihn einmal mehr in die Höhe.
    „Wie kann das sein?“ Mit einem vorwurfsvollen Schnauben hielt er Ni’yo eine winzige Holzfigur entgegen – die kleine Götterfigur der Bäuerin! Sie musste ihm aus der Tasche gefallen sein, als er seine Kleidung abgelegt hatte. Er hatte sie ganz vergessen.
    „Kaleshs Spruch war deutlich, kein Gott kann durch das Siegel treten. Wieso hast du dann Harla mitbringen können?“
    „Mitbringen? Ich verstehe nicht! Was …? Harla hat mich nicht erwählt! Ich …“, stammelte Ni’yo, beinahe besinnungslos vor Schmerz.
    Schnaubend packte Charur ihn um die Körpermitte, drehte ihn dabei, sodass er nicht mehr mit dem Kopf nach unten hing und flog ein kurzes Stück, quer durch die Höhle, um vor den steinernen Götterdrachen zu landen. Auf einem der schlafenden Körper saß eine Menschenfrau in weißem Kleid und blickte Charur ausdruckslos an.
    „Harla! Eine ferne Nachkommin von Muria und Balur. Sie ist aufgestiegen wie die anderen Feiglinge!“
    Ni’yo starrte die Frau an. Er fühlte ihre göttliche Präsenz, die er inzwischen als Drachenseele erkannte. Alles an ihr war menschlich, sie sah aus wie eine ältere Frau von vielleicht vierzig Jahren, klein und gerundet wie eine Mutter. Mit ihren weißblonden Haaren, die in einem schweren Zopf

Weitere Kostenlose Bücher