Die Meister der Am'churi (German Edition)
Glück gehabt. Komm jetzt!“
Kurz blickte er zu Orophin hinüber, der regungslos am Boden lag. Yumari stand über ihm, die Kette in der Hand, bereit, diesen Am’churi zu verteidigen.
Jivvin packte sein Chi’a, bereit für den Kampf. Doch er konnte nicht aufhören darüber zu grübeln, ob es Glück gewesen war, dass Ni’yo ihn verschont hatte, oder etwas anderes. Er konnte und wollte nicht aufhören zu hoffen.
~*~
Ni’yo flog gemächlich in die Höhe, ohne rechtes Ziel. Er wusste nicht, warum er den Befehl verweigert hatte. Etwas an der Furchtlosigkeit des Am’churi, der sich als Mensch ihm und dem Tod ergeben wollte, hatte ihn berührt, in einem Moment seltsamer, beinahe überirdischer Klarheit. Zudem zerrte es an seinen Nerven, diese Beharrlichkeit, mit der Charur ihm Befehle gab. Warum sollte er sich dem Alten beugen?
Etwa dreihundert Brutlinge schossen an ihm vorbei, hinab in den Abgrund. Missmutig stürzte Ni’yo hinterher, er musste sich abreagieren, Charur endlich aus seinem Bewusstsein vertreiben. Die schrillen Angstschreie der Brutlinge reizten ihn noch mehr. Warum fürchteten sie ihn plötzlich, nachdem sie ihn zuvor als Beute betrachtet hatten? Was hatte sich verändert?
Ich. Ich habe mich geändert. Ich brauche Charur nicht. Ich brauche die Brut nicht. Ich brauche niemanden!
Mit Leichtigkeit packte er eines der fliehenden Männchen und schleuderte es in den Pulk hinein. Wie ein Fischschwarm drehte die Drachenhorde ab und floh zur Seite, jene, die er bei seinem Angriff erwischt hatte, schlossen rasch auf. Kaum waren sie vereint, wandten sie sich zornig kreischend gegen ihn. Reiner Instinkt ohne jeden Verstand. Brüllend stürzten sie sich auf ihn, diesen Feind, der sie herausgefordert hatte.
Ni’yo spürte tiefe Zufriedenheit im Angesicht geifernder Drachenmäuler, riesiger Klauen und zuckender Schweife. Er musste schnell sein, sehr schnell. Die Flügel der Brutlinge attackieren, seine Krallen waren scharf genug, sie zu zerfetzen. Ein Sturz aus über zweihundert Schritt würde einen alten Drachen nicht weiter erschüttern, doch die Brutlinge tödlich verletzen …
„Kommt!“, schrie er, und griff an.
~*~
Lynea wurde regelrecht zurückgeschleudert, als Charurs Befehl ihr die Kontrolle über die Drachen raubte. Sie wusste, welches Ziel sie hatten und war erleichtert, dass viele, die noch in tödliche Kämpfe verstrickt oder schwer verletzt waren, dem Befehl nicht folgen konnten. Rasch rief sie eines dieser Männchen herbei und sprang auf seinen Rücken. Sie konnte keine entfesselte Drachenhorde kontrollieren, ein einzelnes Männchen hingegen, das mit der Kraft seiner Rasse und dem Verstand eines Menschen kämpfte, mochte den Elfen genug Aufschub geben, um sich in Sicherheit zu bringen … Wie seltsam es war, ausgerechnet Elfen verteidigen zu müssen!
Ein schwarzer Drache tauchte plötzlich vor ihr auf. Es war nicht Ni’yo, aber auch keiner von der seelenlosen Brut. Lynea blieb keine Zeit sich zu fürchten. Noch bevor sie reagieren konnte, drehte der Drache ab. Seine Gedanken streiften dabei Lyneas Bewusstsein, Empfindungen von Wut und Verwirrung. Lynea war nicht weniger verwirrt – offenbar hatte Charur für einen Wimpernschlag die Kontrolle über diesen Drachen verloren, der nun abdrehte und sich mit kraftvollen Flügelschlägen entfernte.
~*~
Charur brüllte vor Wut, als er spürte, wie Ni’yo ihn aus seinem Bewusstsein ausschloss und ein Massaker unter den Brutlingen anrichtete. Er hatte gewusst, dass er Ni’yo nicht lange würde halten können, doch hätte das nicht warten können, bis er den Entscheidungskampf gegen Ilanrin geführt hatte?
Und dort, Lynea! Er erkannte sie sofort. Sie kämpfte für die Elfen und tötete noch mehr Brutlinge!
Charur zögerte. Ließ er Ni’yo gewähren, dann waren all seine Kinder verloren. All jene, für die er fünf Jahrtausende Elend erduldet hatte. Alles wäre umsonst gewesen. Sollte er sie zu sich rufen und erst einmal fortfliegen? Aber dann würde das Siegel womöglich wieder geschlossen und all die Weibchen mit ihrer Brut, die dort unten ausharrten, wären gefangen. Dann würde es kein neues Volk stolzer Drachen geben!
So sei es. Meine Tage sind längst gezählt, meine Rache kann nicht wichtiger sein als der Fortbestand unserer Rasse, dachte er entschlossen.
„Komm her zu mir, Ni’yo!“, befahl er. „Komm zu deinem Schöpfer! Du hast recht, für uns beide ist nicht genug Platz unter Arus Himmel. Lass es uns
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