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Die Meisterdiebin

Die Meisterdiebin

Titel: Die Meisterdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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war Clea Rice, sie tat immer das Unerwartete.
    Sie verschwand kurz in der Menge, und er ging schneller. Am Tor stieg sie in einen wartenden Bentley. Hektisch blickte Ogilvie sich auf dem Parkplatz um. Sein schwarzer MG war von lauter Nobellimousinen umringt. Frustriert sah er dem Bentley nach. Aber er wusste, in welchem Hotel sie wohnte und dass sie für drei Nächte im Voraus bezahlt hatte.
    Er beschloss, den blonden Mann zu beschatten.
    Fünfzehn Minuten später tauchte der Mann am Tor auf. Als er in einen champagnerfarbenen Jaguar stieg, saß Ogilvie abfahrbereit in seinem MG. Er notierte sich das Kennzeichen und folgte ihm über kurvenreiche Alleen und vorbei an Weiden, auf denen Pferde gras ten.
    Vollblüter für Blaublüter, dachte Ogilvie verächtlich. Wer war dieser Mann?
    Als der Jaguar endlich auf einen Privatweg abbog, erhaschte Ogilvie im Vorbeifahren einen Blick auf einen prächtigen Landsitz inmitten eines riesigen Parks.
    Der Name des Anwesens stand in Bronze auf den Säulen, die die Einfahrt markierten.
    Chetwynd.
    „Du hast es weit gebracht, Clea Rice“, murmelte Ogilvie. Dann wendete er den MG. Es war sechzehn Uhr. Er musste sich beeilen, wenn er seinen Bericht nach London noch absetzen wollte.
    Victor Van Weldon hatte einen schlechten Tag gehabt. Das Atmen fiel ihm schwer, und die Ärzte hatten ihm Sauerstoff verordnet. Die Flasche war an seinem Rollstuhl befestigt, und die Schläuche steckten in seinen Nasenlöchern. Und wieder einmal spürte er, wie sterblich er war.
    Ausgerechnet jetzt musste Simon Trott natürlich auf einer Besprechung bestehen.
    Van Weldon hasste es, so schwach und verletzlich gesehen zu werden. All die Jahre war er stolz auf seine Stärke gewesen. Auf seine Rücksichtslosigkeit. Jetzt war er ein alter, sterbender Mann, und Trott sollte sein Nachfolger werden. Aber noch war er nicht bereit, ihm die Zügel zu übergeben. Bis zu meinem letzten Atemzug gehört die Firma mir! dachte er verbissen.
    Es klopfte an der Tür, und Van Weldon drehte den Rollstuhl dorthin. Sein jüngerer Partner betrat das Zimmer, und seine Miene verriet, dass er keine gute Nachricht brachte.
    Noch hat er wohl Angst vor mir, fuhr es Van Weldon plötzlich durch den Kopf.
    „Was haben Sie in Erfahrung gebracht?“ fragte Van Weldon und musterte Trott.
    „Ich glaube, ich weiß, warum Clea Rice nach England will“, sagte Trott. „Es gibt Gerüchte … auf dem schwarzen Markt …“ Er räusperte sich.
    „Was für Gerüchte?“
    „Angeblich prahlt ein Engländer mit einem geheimen Kauf, den er getätigt hat. Er behauptet, er hätte kürzlich …“ Trott senkte den Blick, „… das Auge von Kaschmir gekauft.“
    „Unser Auge von Kaschmir? Unmöglich.“
    „So lautet das Gerücht.“
    „Das Auge ist doch gar nicht auf dem Markt! Niemand kann es kaufen.“
    „Seit die Sammlung verlegt wurde, haben wir nicht überprüft, ob es sich noch darin befindet. Es kann gut sein, dass …“
    Die beiden Männer wechselten einen Blick. Van Weldon begriff. Wir haben einen Dieb in unseren Reihen. Einen Verräter!
    „Wenn Clea Rice ebenfalls von diesem Gerücht gehört hat, könnte das für uns katastrophal sein“, sagte Van Weldon.
    „Das ist mir klar.“
    „Wer ist dieser Engländer?“
    „Er heißt Guy Delancey. Wir versuchen bereits, ihn zu finden.“
    Van Weldon nickte. Er ließ sich wieder in den Rollstuhl sinken und sog den Sauerstoff ein. „Finden Sie Delancey“, befahl er sanft. „Ich habe das Gefühl, wenn Sie ihn haben, haben Sie auch Clea Rice.“

4. KAPITEL
    A uf die neue Freundschaft“, sagte Guy, während er Clea ein randvolles Glas Champagner reichte. „Auf die neue Freundschaft“, murmelte sie und nippte daran. Wenn sie nicht aufpasste, würde der Alkohol ihr zu Kopf steigen, und das durfte nicht passieren. Was sollte sie tun? Delancey hatte offenbar mehr im Sinn als nur einen harmlosen kleinen Flirt.
    Er setzte sich zu ihr auf die Couch, und sie musste sich beherrschen, um nicht zurückzuzucken. Sie musste ihn hinhalten, bis sie ihm genug Informationen entlockt hatte.
    Sie lächelte anmutig. „Ihr Haus gefällt mir.“
    „Danke.“
    „Und die Bilder! Was für eine Sammlung. Alles Originale, nehme ich an?“
    „Natürlich.“ Stolz zeigte Guy auf die Gemälde an den Wänden. „Ich klappere sämtliche Auktionen ab. Wenn sie mich bei Sotheby’s hereinkommen sehen, reiben sie sich schon die Hände. Aber das hier sind nicht die Prunkstücke meiner

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