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Die Meisterdiebin

Die Meisterdiebin

Titel: Die Meisterdiebin
Autoren: Tess Gerritsen
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zu verdienen.“
    „Leider muss ich das Angebot ablehnen.“
    „Ich könnte viel für Ihre Karriere tun.“
    „Ich bin nicht in Ihrer Branche tätig.“
    „In welcher denn?“ platzte sie frustriert heraus.
    Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. „Ich bin ein Gentleman.“
    „Und was noch?“
    „Nur Gentleman.“
    „Ist das ein Beruf?“
    „Ja.“ Er lächelte. „Vollzeit sogar. Trotzdem lässt er mir genügend Zeit für andere Dinge. Für Verbrechensbekämpfung vor Ort, zum Beispiel.“
    „Na schön.“ Sie seufzte. „Was muss ich Ihnen bieten, damitSie mir nicht in die Quere kommen? Und nicht auftauchen, wenn es nun wirklich nicht passt?“
    „Damit Sie Ihren Job beim armen alten Guy Delancey zu Ende bringen können?“
    „Danach sehen Sie mich nie wieder. Versprochen.“
    „Was hat er denn so Verlockendes?“
    Sie starrte in ihr Weinglas. Nein, sie würde es ihm nicht erzählen. Sie durfte es nicht. Denn sie vertraute ihm nicht. Wenn er vom Auge von Kaschmir erfuhr, würde er es vielleicht selbst haben wollen. Was sollte sie dann tun? Sie hatte keinerlei Beweise.
    Und Victor Van Weldon würde ungeschoren davonkommen.
    „Es muss ziemlich wertvoll sein“, sagte er.
    „Nein, sein Wert ist eher …“ Sie suchte nach etwas, das ihm glaubhaft erscheinen würde. „Sentimental.“
    Er runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht.“
    „Guy hat etwas, das meiner Familie gehört. Seit Generationen. Es wurde uns vor einem Monat gestohlen, und wir wollen es zu rück.“
    „Warum gehen Sie nicht zur Polizei?“
    „Delancey wusste, dass es heiß war, als er es kaufte. Glauben Sie, er würde zugeben, dass er es hat?“
    „Also wollen Sie es zurückstehlen?“
    „Mir bleibt nichts anderes übrig.“ Sie hob den Blick und sah die Unsicherheit in seinen Augen. Nur ein Flackern, aber immerhin. Nahm er ihr die Geschichte wirklich ab? Es erstaunte sie, wie mies sie sich plötzlich fühlte. Sie hatte in letzter Zeit viele Lügen erzählen müssen, um am Leben zu bleiben. Aber JordanTavistock anzulügen erschien ihr irgendwie … kriminell. Was überhaupt keinen Sinn ergab, denn genau das war er ja auch. Ein Dieb und Gentleman, dachte sie. Mit einem Lächeln, bei dem ihre Knie weich wurden.
    Was war nur in dem Wein? Der Raum schien immer wärmer zu werden. Und sie immer atemloser.
    Guy Delanceys Rückkehr war wie ein kalter Windstoß. „Es fängt an“, verkündete er.
    „Was denn?“ murmelte Clea.
    „Die Musik. Komm, wir setzen uns.“
    Endlich wandte sie sich ihm zu. Er sah grimmig aus. „Was ist mit Veronica?“
    „Bitte erwähne diesen Namen nicht in meiner Gegenwart“, knurrte er.
    In diesem Moment betrat Veronica den Raum und ignorierte Guy demonstrativ. „Jordie, Darling“, säuselte sie und hakte sich besitzergreifend bei ihm ein. „Setzen wir uns, ja?“
    Schicksalsergeben ließ Jordan sich ins Musikzimmer führen.
    Das Streichquartett aus London stimmte bereits die Instrumente. Clea und Guy saßen auf der linken, Jordan und Veronica auf der rechten Seite, aber zwischen Guy und Veronica flogen während des ganzen Konzerts andauernd giftige Blicke hin und her.
    Auf Dvorják folgte erst Bartók, dann Debussy. Clea hörte nicht richtig zu, sondern überlegte angestrengt, wie nah sie dem Auge von Kaschmir kommen konnte. Hoffentlich war dies der letzte Abend, an dem sie Guy Delancey ertragen, Lügen auftischen und mit dieser albernen roten Farbe im Haar herumlaufen
    musste. Erst als die Musiker sich verbeugten, merkte sie, dass das Konzert zu Ende war.
    Danach gab es dekorativ präsentierte Kuchen, Kanapees und Wein. Reichlich Wein. Guy war schon bei der Ankunft nicht mehr nüchtern gewesen, und jetzt arbeitete er sich langsam an eine Alkoholvergiftung heran. Offenbar ertrug er es nicht, Veronica mit ihrem neuen Begleiter flirten zu sehen.
    Clea sah, wie er sich das nächste Glas Wein nahm, und beschloss, seinem Exzess Einhalt zu gebieten. Aber wie konnte sie das, ohne eine Szene zu machen?
    In diesem Moment griff Jordan ein. Sie hatte ihn nicht darum gebeten, aber offenbar hatte er die Gläser mitgezählt. Er näherte sich Guy. „Vielleicht sollten Sie sich etwas bremsen, alter Junge.“
    „Keine Ahnung, was Sie meinen“, erwiderte Guy mit schwerer Zunge.
    „Das ist schon Ihr sechstes Glas Wein. Und Sie wollen die Lady nach Hause fahren.“
    „Das schaffe ich schon.“
    „Kommen Sie, Delancey“, beschwor Jordan ihn. „Etwas Selbstbeherrschung.“
    „Selbst…beherrschung?“ wiederholte
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