Die Meisterdiebin
Jahren. Sie gibt gern Geld aus und hat Schulden ohne Ende. Vielleicht wusste sie keinen anderen Ausweg.“
„Aber Guy hätte keine Fälschung gekauft“, wandte Clea ein.
„Natürlich nicht.“
„Also hat jemand das Original später gegen die Fälschung ausgetauscht?“
„Jemand, der die Gelegenheit dazu hatte“, sagte Jordan. „Jemand, der Guy nahe genug stand.“
„Veronica“, flüsterte Clea.
„Sie und Oliver haben hier in London ein Stadthaus. Unter der Woche sind sie meistens hier.“
Clea runzelte die Stirn. „Was hast du vor? Du hast doch schon einen Plan.“
Er betrachtete ihr Haar. „Wir werden dir eine Perücke besorgen.“
Van Weldon hatte den Anruf erwartet und nahm sofort ab. „Und?“
„Sie sind hier in London“, sagte Simon Trott. „Sie wurden gesehen, als sie Lloyd’s verließen.“
„Ist die Sache erledigt?“
Es gab eine kurze Pause. „Leider nicht. Unser Mann hat sie in der Brook Street verloren. In einem Juweliergeschäft. Der Besitzer weiß angeblich von nichts.“
Van Weldons Brust begann zu schmerzen. Er rang nach Luft und verfluchte Clea Rice. Sie war wie ein Dorn in seinem Fleisch. Ein Dorn, der sich nicht entfernen ließ, sondern sich immer tiefer hineinbohrte.
„Also hat sie es zu Lloyd’s geschafft. Hatte sie den Dolch mit?“ fragte er.
„Ja. Dass er gefälscht war, muss ein Schock für sie gewesen sein.“
„Wo ist das echte Auge von Kaschmir?“
„An einem sicheren Ort. Jedenfalls wurde mir das gesagt und ich verlasse mich darauf.“
„Diese Cairncross hat uns an den Rand einer Katastrophe gebracht. Sie muss bestraft werden.“
„Ganz Ihrer Meinung“, erwiderte Trott eilfertig. „Was schwebt Ihnen vor?“
„Etwas Unangenehmes“, sagte Van Weldon. Veronica Cairncross war unzuverlässig. Und dumm, falls sie glaubte, ihn hintergehen zu können.
„Soll ich mich selbst um Mrs. Cairncross kümmern?“ fragte Trott.
„Warten Sie damit. Stellen Sie erst fest, ob die Sammlung wirklich an einem sicheren Ort ist. Sie muss noch in diesem Monat auf den Markt.“
„So bald nach der Havelaar? Ist das nicht gefährlich?“
Trott hatte Recht. Es war riskant. Aber er brauchte Bargeld.
Möglichst viel.
„Die Sammlung muss verkauft werden“, sagte Van Weldon. „In Hongkong oder Tokio könnten wir sehr gute Preise erzielen. Und das äußerst diskret. Schicken Sie die Sammlung auf die Reise.“
„Wann?“
„Die Villafjord wird morgen in Portsmouth anlegen. Ich werde an Bord sein.“
„Sie … kommen her?“ Trott klang ängstlich. Offenbar war Van Weldon nicht mit ihm zufrieden.
„Ich werde mich selbst um die Verschiffung kümmern“, sagte Van Weldon. „Ich erwarte, dass Sie Clea Rice bis dahin gefunden haben.“
„Ich lasse die Tavistocks beobachten. Früher oder später werden Jordan und die Frau auftauchen.“
Oder auch nicht, dachte Van Weldon. Clea Rice musste erschöpftund mutlos sein und würde vermutlich versuchen, sich zu verstecken. So weit entfernt von London, wie sie nur konnte.
Um Viertel nach zwölf verließ Veronica Cairncross ihr Londoner Stadthaus und fuhr im Taxi in die Sloane Street, wo sie in einem schicken kleinen Café zu Mittag aß. Danach schlenderte sie zur Brompton Street, kaufte Dessous und probierte ein halbes Dutzend Paar Schuhe an.
Clea beobachtete alles aus sicherer Entfernung, obwohl ihr diese Aktion immer sinnloser erschien. Unter der langen schwarzen Perücke juckte ihr Kopf, die Sonnenbrille rutschte andauernd von der Nase, und die neuen Pumps brachten sie langsam, aber sicher um. Vielleicht hätte sie auch in das Schuhgeschäft gehen und sich bequemere Schuhe zulegen sollen. Nicht, dass sie sie sich hätte leisten können. Veronica beehrte nur die teuersten Läden.
Kurz darauf folgte Clea ihr zu Harrods, wo sie an Parfüms schnupperte und sich Seidentücher und Designertaschen ansah. Zwei Stunden später schlenderte Veronica mit Einkaufstüten beladen ins Freie und winkte ein Taxi heran.
Als es davonfuhr, hielt vor Clea ein anderes Taxi. Sie stieg ein. Jordan wartete schon auf dem Rücksitz.
„Bleiben Sie hinter ihr“, sagte Clea.
Der Fahrer, ein grinsender Inder, den Jordan für den ganzen Tag gemietet hatte, folgte Veronica und ließ dabei immer zwei Wagen zwischen sich und ihrem Taxi.
Es fuhr nach Kensington.
„Wohin will sie jetzt?“ seufzte Clea.
„Jedenfalls nicht nach Hause.“
Einige Minuten später hielt es vor einem Firmengebäude, und Veronica stieg aus.
„Natürlich“,
Weitere Kostenlose Bücher