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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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David mit Aufträgen in die Stadt schickte, während Laurenz an der Druckerpresse bleiben musste. Für einen Kurierreiter, so hatte Carolus unmissverständlich klargemacht, waren Hahnenstolz und ein hübsches Gesicht unwichtig, Abenteuerlust und Fernweh sogar hinderlich, denn sie machten einen jungen Burschen unbesonnen und vorwitzig.
    Ratsherr Zorn schien mit der Auswahl, die der Drucker getroffen hatte, zufrieden zu sein. Er nahm sich die Zeit, mit jedem der jungen Männer zu sprechen, klopfte auf Schultern und nickte freundlich, während sein Schreiber auf seiner Liste Haken machte.
    Henrika atmete auf. Die Kurierreiter waren dem Vertreter der Stadt genehm. In wenigen Wochen durften sie auf die ersten Nachrichten aus den von Carolus ausgewählten Städten hoffen. Sie konnte es kaum abwarten, diese Botschaften zu lesen und dann den Setzern zu übergeben. Rom war die prachtvolle Stadt des Papstes, Venedig ein bedeutender Handelsplatz, wo Schiffe mit Waren aus aller Welt anlegten. Was mochten die Kurierreiter von den Kaufleuten und Seefahrern dort in Erfahrung bringen? In Antwerpen … Nun, von Antwerpen hatte sie keine Vorstellung, ihr war lediglich bekannt, dass in den niederländischen Provinzen seit vielen Jahren ein erbitterter Krieg gegen die habsburgischen Spanier tobte, weswegen den aufrechten Rebellen vom Rat des protestantischen Straßburg große Sympathien entgegengebracht wurden.
    Als Henrika darüber nachdachte, verstand sie Laurenz’ Enttäuschung ein wenig besser. Tatsächlich verspürte sie nun sogar Gewissensbisse, weil sie seinen Wunsch, in die Niederlande zu reiten, abgetan hatte wie die Laune eines unvernünftigen Kindes. Aber Laurenz war ein erwachsener Mann. Er verdiente ihr Vertrauen und ihre Unterstützung. Der Mann, den sie liebte, durfte erwarten, dass sie ihn ernst nahm und nicht nur selbstsüchtig an der Erfüllung ihrer Träume arbeitete. Zaghaft streckte sie die Hand aus und hoffte, die Geste würde ihn versöhnlich stimmen. Aber dem war nicht so.
    «Nun hast du erreicht, was du wolltest, nicht wahr?» Laurenz’ Gesicht war weiß vor unterdrücktem Zorn. «Du hast den alten Carolus um den kleinen Finger gewickelt. Dir kann er ja nichts abschlagen. Seit dem Tag deiner Ankunft hast du ihn beschwatzt, damit er dir in der Sortierkammer freie Hand lässt. Aber das war der ehrsamen Jungfer noch lange nicht genug. Du musstest ihm auch noch ein Titelblatt für seine Postille zeichnen, um dich hervorzutun. Und als ob das nicht genug wäre, habt ihr auch noch gemeinsam entschieden, mir diese Einfaltspinsel vorzuziehen, deren Hintern beinahe aus dem Sattel rutschen.»
    Empört blitzten Henrikas Augen auf. So hatte Laurenz noch nie mit ihr gesprochen. «Du bist ungerecht», verteidigte sie sich. «Ich habe niemals mit Meister Carolus über dich gesprochen. Ich dachte nur …» Ihre Wangen brannten vor Verlegenheit. Hastig senkte sie den Blick, um ihre Gefühle vor Laurenz zu verbergen. Es hatte ohnehin keinen Sinn, auf offener Straße mit ihm zu streiten, nicht, wenn er in dieser Stimmung war. Doch offensichtlich legte er ihr Schweigen als Eingeständnis ihrer Schuld aus. Er verbeugte sich spöttisch und lachte.
    Endlich erklang vom Torturm nun das langersehnte Trompetensignal, das die Kurierreiter zum Aufbruch drängte. Viel Volk hatte sich inzwischen vor dem Tor und auf der hölzernen Brücke eingefunden, um dem Auszug der fünf aus der Stadt beizuwohnen. Ratsherr Zorn richtete noch einige letzte Worte an die jungen Männer, dann kam Carolus an die Reihe. Begleitet von seinen Zunftbrüdern, überreichte er jedem Kurier einen Beutel, außerdem ein versiegeltes Beglaubigungsschreiben und ein Felleisen, unter dessen Verschluss die wertvollen Botschaften in die Heimat transportiert werden sollten. «Seid auf der Hut vor herumstreunenden Landsknechten und lasst euch bloß auf kein Scharmützel mit den Postreitern der Taxis ein», mahnte er mit erhobenem Zeigefinger. «Wir wollen keinen Ärger mit den Kaiserlichen.»
    «Solange er sich vermeiden lässt», fügte Ratsherr Zorn hinzu. Er zog den Hut und gab das Zeichen zum Aufbruch.
    Henrika hob den Blick erst wieder, als die fünf jungen Männer unter den neidvollen Blicken der Torwächter und begleitet vom stürmischen Beifall der Umstehenden über die hölzerne Brücke hinaus aufs freie Land galoppierten.
    «Diese Milchbärte wollen Kurierreiter sein», höhnte Laurenz. «Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass keiner von ihnen den Weg

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