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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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die Wärme ihrer Werkstätten. Man gab ihnen lediglich das Geleit bis zum Tor, weil der Zunftmeister es so beschlossen hatte. Schließlich hatte der Drucker lange darum gekämpft, bis es ihm erlaubt worden war, Kuriere auszusenden. Nun musste die Zunft zusammenrücken und dem Stadtpatriziat beweisen, dass sie einen der Ihren nicht im Stich ließ.
    Vor dem Kronenburgertor wartete eine Abordnung des Straßburger Rats auf die Kurierreiter. Jeremias Zorn war bereits von weitem an seiner knielangen Schecke aus rötlichem Pelz und den fein gewirkten Strümpfen zu erkennen, deren Schlaufen er elegant über die Schaftstiefel gebunden hatte. Selbstbewusst schwang die breitgliedrige Goldkette, die ihn als Ratsherrn der Stadt Straßburg auswies, auf seiner muskulösen Brust.
    Zorn bedeutete den fünf jungen Männern, abzusteigen und einzeln vorzutreten. Ein ältlicher Schreiber folgte dem Patrizier, während die Wachsoldaten von den Mauern und Brustwehren derbe Späße zu den Wartenden hinabriefen. Zwei der Reiter blickten grinsend hinauf und machten obszöne Gesten, um die Männer zum Schweigen zu bringen; sie kannten einander gut. Noch vor wenigen Tagen hatten sie Seite an Seite mit den Wächtern ihren Dienst am Stadttor verrichtet.
    Nach einer kurzen Musterung durch den Ratsherrn legte jeder der Männer seine Hand auf ein schweres, in Leder gebundenes Buch, auf dem das Wappen der Stadt in goldener Farbe zu sehen war. Im Beisein eines Geistlichen wurde eine heilige Eidesformel verlesen, die den künftigen Kurieren auferlegte, auch in der Fremde die Interessen des Rats und damit ihrer Heimatstadt um jeden Preis zu wahren. Fluch und Strafe sollten jeden treffen, der es wagte, von fremden Landesherren oder kaiserlichen Postreitern Geld anzunehmen und im Gegenzug Auskünfte über die Befestigung und Waffenstärke Straßburgs zu erteilen.
    «Noch haben wir im Reich keinen Krieg», sagte Zorn mit ernster Miene, «dennoch sollten wir nicht glauben, dass die Formierung der streitenden Parteien in ein protestantisches und ein katholisches Lager Straßburg unberührt lassen wird.»
    Der Schreiber nahm die Namen und den Stand jedes einzelnen Boten auf. Sorgfältig vergewisserte er sich, dass sie tatsächlich Straßburger Familien entstammten, ehelich und ehrlich geboren worden waren und sich niemals etwas hatten zuschulden kommen lassen.
    Henrika stand frierend vor der vergitterten Pforte neben dem Stadttor, die durch eine Steintreppe mit dem Bollwerk des Wehrgangs verbunden war, und verfolgte die Prozedur mit gemischten Gefühlen. Laurenz stand neben ihr, doch der junge Mann gab sich keine Mühe, seine schlechte Laune zu verbergen. Er tat so, als ginge es ihn nichts an, was am Stadttor geschah. Seine Haltung war abweisend, seine sonst so heiter blitzenden Augen kalt in seiner Weigerung, ihr auch nur einen Blick zu gönnen. Sein Atem roch nach Wein; zweifellos hatte er am Abend zuvor seinen Ärger im Alkohol ertränkt. Henrika fühlte sich verletzt. Sie fragte sich, warum er zum Stadttor gekommen war, um dem Auszug der fünf Kuriere beizuwohnen, wenn ihm der Anblick so zusetzte. Sie konnte ja verstehen, dass es ihn ärgerte, nicht als Kurier ausgewählt worden zu sein und nun mit ansehen zu müssen, wie stolz die Männer auf ihren Pferden saßen, funkelnagelneue Schaftstiefel an den Füßen und mit Federn geschmückte Hüte auf den Köpfen. Doch warum gab er ausgerechnet ihr die Schuld daran, dass er hier zurückbleiben musste? Carolus hatte ihm seine Bitte mit der Begründung abgeschlagen, er sei Drucker, kein Kurierreiter. Außerdem werde er in der Werkstatt gebraucht. Dass Laurenz die Absage als Kränkung verstand, war für Carolus kein Grund, seine Meinung zu ändern.
    Dabei war es auch zwischen Laurenz und Henrika zu Unstimmigkeiten gekommen, denn Henrika teilte die Meinung ihres Dienstherrn. Anders als Carolus glaubte sie zwar nicht, dass Laurenz in der Werkstatt unersetzlich war, aber der Gedanke, ihn in der Fremde zu wissen, beunruhigte sie.
    Laurenz war galant und zuvorkommend, er konnte sich durchsetzen und brachte sie mit seinen Geschichten zum Lachen, doch tief in seinem Innern steckte auch etwas, das ihr Angst machte. Die Berufung zum Kurierreiter setzte Besonnenheit und diplomatisches Geschick voraus. Nein, sosehr es Henrika auch schmerzte, sie musste zugeben, dass Laurenz kaum der Richtige war, um die Aufgaben eines Kuriers gewissenhaft zu erfüllen.
    Carolus schien das ebenso zu sehen. Es kam nun öfter vor, dass er

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