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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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nach Straßburg zurückfinden wird.»
    «Würdest du dich bitte beherrschen?», bat Henrika leise. «David kann dich hören!»
    «Na, und wenn schon? Soll er doch kommen und sein Sprüchlein aufsagen. Dann zeig ich ihm, wer in der Werkstatt das Sagen hat. Ein Milchtöpfchen wie er sollte die Stube ausfegen oder mit der bleichen Lene Wolle kämmen, anstatt einem zukünftigen Meister Widerworte zu geben.»
    David, der dem Treiben am Tor ein Stück weiter oben auf der Treppe zugesehen hatte, kam nun heruntergelaufen und maß seinen Bruder mit einem warnenden Blick. «Du solltest nach Hause gehen, dich hinlegen und deinen Rausch ausschlafen, bevor der Zunftbüttel dich so sieht», mahnte er. «Ansonsten wirst du es in fünf Jahren noch nicht zum Meister gebracht haben. Außerdem machst du dich vor Henrika nur lächerlich, wenn du hier am Stadttor den verschmähten Liebhaber spielst.»
    Laurenz starrte seinen jüngeren Bruder ungläubig an. Dann strafften sich seine Muskeln, und er ging drohend auf David zu. War er unbesonnen genug, sich hier, vor den Augen der Torwächter, eine Prügelei mit seinem eigenen Bruder zu liefern?
    «Von dir lasse ich mich bestimmt nicht einen verschmähten Liebhaber schimpfen», stieß Laurenz hervor. Er versetzte David einen Schlag gegen die Schulter, der den schmächtigen jungen Mann fast zu Boden beförderte. Laurenz setzte nach, und im nächsten Augenblick wälzten sich die beiden auf der Straße.
    «Na los, wo ist dein Mut geblieben?», spottete Laurenz. Er versuchte, den Kopf seines Bruders in eine Wasserlache zu drücken, doch David erwies sich als erstaunlich wendig. Er entzog sich Laurenz’ Griff wie ein Aal. Bevor Laurenz zu einem weiteren Schlag ausholen konnte, packte David seinen Arm und drehte ihn auf den Rücken. Ein gezielter Kinnhaken ließ Laurenz aufbrüllen. Seine Lippe platzte, und Blut besudelte sein helles Wams.
    «Lass es gut sein, Bruder», keuchte David und spähte zum Turm hinauf, doch die Wächter hatten den Streit bemerkt. Ein paar Gassenbuben und ein zahnloser Holzhändler standen feixend um die kämpfenden Brüder herum. Ihre anfeuernden Worte gingen im Lärm der Menschen unter, die den Kurierreitern winkend nachliefen oder Apfelwein und gesalzenen Stockfisch anpriesen. Fuhrwerke und Ochsengespanne drängten über den Platz.
    Benommen fuhr sich Laurenz mit der Hand über den Mund. Sein Blick war überrascht, als er das Blut an seinen Fingern bemerkte. Dann kehrte die Wut zurück. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er David an, dem es gelungen war, sich wieder auf die Beine zu kämpfen.
    «Das wirst du mir noch büßen», zischte er seinem Bruder zu.
    David zuckte die Achseln. «Vielleicht solltest du endlich anfangen, deinen Kopf zum Denken zu gebrauchen. Meister Carolus hat die Männer ausgewählt, weil …» Er wurde unterbrochen.
    «Was ist hier los?»
    Henrika drehte sich hastig um und sah einen narbengesichtigen Bewaffneten auf sie zueilen. Der Mann sah verärgert aus.
    Zu dumm, dachte Henrika. Nun war also doch noch einer der Stadtwächter auf die Auseinandersetzung aufmerksam geworden. Kein Wunder, Laurenz hatte in seinem verflixten Rausch ja auch laut genug geschrien, um die halbe Stadt aufzuschrecken. Mit der strengen Miene eines Ordnungshüters musterte der Büttel zuerst David, dann Laurenz von Kopf bis Fuß. An den Kleidern beider Männer hingen Staub, Blätter und Gassenschmutz. Ihre Haare waren zerzaust, die Haut zerschrammt. Als der Büttel Laurenz’ blutende Lippe bemerkte, nickte er kaum merklich. Ohne Vorwarnung packte er David am Hemdkragen. «Hast du den Mann so zugerichtet, Freundchen?»
    David erwiderte den Blick des Wächters, sagte jedoch nichts.
    «Dein Schweigen wird dir nicht helfen», sagte der Stadtwächter. «Du gehörst doch zur Druckerzunft, nicht wahr?» Sein Narbengesicht verzog sich zu einem höhnischen Grinsen, als er mit ausgestreckter Hellebarde auf die Schar Männer deutete, die am Kronenburgertor beieinanderstanden. «Dann kennst du sicher auch euren Zunftbüttel und die Strafen, die er denjenigen auferlegt, die gegen die Ordnung der Straßburger Drucker verstoßen.»
    Henrika fragte sich, warum David sich noch immer so beharrlich weigerte, den Mund aufzumachen und die Sache aufzuklären. War er verrückt geworden? Er, der für gewöhnlich so kühl überlegte und sich nie von Gefühlen leiten ließ, konnte doch jetzt nicht so unvernünftig sein. Laurenz hatte angefangen, also sollte er die Sache auch ausbaden.
    «Ihr

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