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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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verspreche ich dir. Du wirst hier residieren wie eine Patrizierin, vorausgesetzt, du gehorchst und erfüllst deine Pflichten als Ehefrau.»
    «Ich kann mich nicht erinnern, deinen Antrag angenommen zu haben», erwiderte Henrika. «Wenn man es genau nimmt, hast du weder Meister Carolus noch mich gefragt, was wir davon halten.»
    Laurenz lachte spöttisch auf. Ohne Vorwarnung zog er Henrika in seine Arme und küsste sie so heftig, dass ihr die Luft wegblieb. Schwindel erfüllte sie, als sie das von Stoppeln übersäte Kinn an ihrem Hals und die heißen Lippen auf den ihren spürte. Es war das erste Mal, dass Laurenz sie auf diese Weise berührte, und obwohl Henrika es sich in den vergangenen Monaten so oft ersehnt hatte, war sie nun enttäuscht. Sie spürte nur einen unangenehmen Druck auf der Lunge, der durch den Geruch des alten Hauses nicht eben gemildert wurde.
    Als Laurenz ihr eine kurze Atempause gönnte, versuchte Henrika sich von ihm zu lösen, doch er hielt sie fest in seinen Armen. Seine Hände glitten über ihren Körper, berührten sie schamlos. Sie hörte, wie der Stoff ihrer Hemdbluse mit einem anklagenden Geräusch zerriss. Hastig schob er das dünne Leibchen hoch, das ihre Brüste bedeckte, und grub seine Finger in ihr Fleisch. Bevor sie auch nur ein Wort des Protests von sich geben konnte, hatte er sie schon zu Boden gezogen. Henrika lag inmitten der Spinnweben, ein bebendes Häufchen Unsicherheit, das nicht mehr aus dem Netz der Spinne entkommen konnte.
    Laurenz war nicht ungeschickt, das musste sie ihm lassen. Was seine Fingerspitzen erforschten, nachdem er ihren Rock hochgeschoben hatte, löste Gewitterstürme in ihr aus, die sie ängstigten, zugleich aber auch bis ins Mark erregten. Einen Moment fochten in ihr Begierde und die Angst, einen furchtbaren Fehler zu begehen, wenn sie sich ihm hingab, einen heftigen Kampf miteinander aus. Dann hörte sie sein spöttisches Lachen ganz nah an ihrem Ohr, und die Entscheidung fiel. Sie stemmte sich aus Leibeskräften gegen seine breite Brust und stieß ihn mit aller Kraft zurück. Laurenz ließ von ihr ab und starrte sie fassungslos an.
    «Bitte nicht, Laurenz», flehte sie. «Wenn du mich wirklich heiraten willst, dann lass mir Zeit.»
    «Zeit?» Laurenz runzelte die Stirn. «Haben wir nicht die ganze Nacht? Niemand wartet auf uns. Das habe ich nur erfunden, um mit dir allein sein zu können. Ich wollte dir dein zukünftiges Heim zeigen und meine Erhebung zum Meister feiern, bevor der Alte uns morgen nach Frankfurt ins Getümmel der Messe schleppt.»
    Er hielt inne und überlegte, wie er sie umstimmen konnte. Zunächst zierten sich die meisten Weiber, die er nicht für ihre Dienste bezahlte. Das war nicht weiter ungewöhnlich.
    Doch Henrika sprang auf und lief zur Tür, ohne sich nach Laurenz umzublicken, der noch immer auf dem Boden saß. In ihrer Hast stolperte sie über geplatzte Mehlsäcke und verbeultes Kupfergeschirr.
    «Lauf nur davon, Gazettenmacherin», rief der Drucker ihr hinterher. Seine Stimme hallte von den kahlen Wänden wider. «Aber vergiss nicht: Was ich will, das bekomme ich auch!»
    Sein Gelächter verfolgte sie noch, als sie schon durch die Pfützen des Hofes auf die rettende Straße zulief. Ihr Herz klopfte so heftig, als würde es zerspringen. Am Tor drehte sie sich noch einmal um, suchte den flackernden Schein der Kerze dort, wo früher einmal das Handelskontor gewesen war, doch Laurenz musste das Licht gelöscht haben. In ihrem Kopf hallten seine Abschiedsworte wider: Vergiss niemals – Was ich will, das bekomme ich auch.

15. Kapitel
    «Warum schaust du dich eigentlich dauernd um?»
    Barbara Carolus versuchte seit einer ganzen Weile, Henrikas Aufmerksamkeit zu erlangen. Sie war enttäuscht, dass ihre große Freundin an diesem Morgen so still und in sich gekehrt war und kaum ein Wort mit ihr wechselte. Dabei war Barbara so aufgeregt, dass ihre Wangen glühten. Ausgelassen sprang sie auf dem Boot hin und her, erkundete jeden Winkel bis auf den letzten Zimmermannsnagel und beobachtete voller Freude die Vögel, die mit ausgebreiteten Flügeln sanft über der Wasseroberfläche dahinglitten.
    Abgesehen von einem kurzen Ausflug nach Hagenau, wo der Bruder ihrer Mutter lebte, war es das erste Mal, dass das Mädchen seine Vaterstadt verließ. Seit Wochen schon redete Barbara von nichts anderem mehr als von Frankfurt. Henrika verstand ihre Aufregung und bemühte sich, auf sie einzugehen, doch noch immer beschäftigten sie die Ereignisse

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