Die Meisterin der schwarzen Kunst
den Rachen werfen, damit er uns endlich gehen ließ», beschwerte er sich, während er sich den Staub von seinem dunkelgrünen Reiseumhang klopfte.
«Zur Messezeit brodelt die Stadt», sagte David, dem Henrikas beunruhigte Miene nicht entgangen war. Sie ärgerte sich noch immer über die alte Krämerin, die Barbara diesen heidnischen Firlefanz aufgedrängt hatte. Am liebsten hätte sie die kleine Figur fortgeworfen, doch davon wollte das Mädchen nichts wissen.
«Leider kommen nicht alle wegen der Bücher und Druckschriften hierher», sagte David, nachdem Henrika kurz berichtete, was sie mit der Alten erlebt hatte.
«Das Gedränge bietet auch Betrügern, Taschendieben und religiösen Eiferern ein leichtes Spiel.» Er schaute sich misstrauisch um, als befürchtete er, jeden Moment hinterrücks niedergeschlagen und ausgeraubt zu werden.
«Wir sollten uns zum Haus des Herrn de Bry aufmachen, bevor wir der Buchgasse einen ersten Besuch abstatten», pflichtete Carolus bei. Mit knappen Worten trug er Laurenz auf, seinem Bruder mit der schweren Bücherkiste zu helfen, in die er ein paar seiner neuesten Bücher, eine Reihe illustrierter Schriften sowie einige Exemplare der Gazette gepackt hatte, um sie auf der Messe anzubieten.
Laurenz warf Henrika einen durchdringenden Blick zu, bevor er mit David und den kostbaren Druckerzeugnissen im Getümmel der Menschen verschwand.
Henrika starrte den beiden nach und fragte sich, ob es nicht richtiger gewesen wäre, unter einem Vorwand auf die Reise zu verzichten. Carolus würde in den nächsten Tagen mit Besuchen bei Buchhändlern und Kupferstechern beschäftigt sein und daher kaum Zeit für sie haben. Barbara sollte im Haus der Frau de Bry lernen, wie ein Haushalt zu führen war, und David würde sich darum kümmern, in der Buchgasse einen günstigen Standort für die Auslage der Schriften zu finden. Da bislang niemand Henrika gesagt hatte, welche Pflichten sie erwarteten, mutmaßte sie, dass der gutmütige Meister es ihr ermöglichen wollte, so viel Zeit wie möglich mit Laurenz zu verbringen. In Straßburg war das nicht möglich, doch hier in Frankfurt kannte sie keiner. Weder ein Geistlicher noch ein Stadtwächter würde sie anhalten, wenn sie gemeinsam mit dem jungen Drucker über die Märkte streifte oder sich ins Getümmel der Buchgasse stürzte, die sich bis zum Mainufer wand.
Das alles hatte nur einen einzigen Schönheitsfehler. Seit der Nacht im Haus der Schlüssels brach ihr allein bei dem Gedanken, mit Laurenz allein zu sein, kalter Schweiß aus. Sie war wütend auf ihn, mehr aber noch auf sich selbst, denn sie war dabei, sämtliche insgeheim gehegten Hoffnungen auf eine glückliche Zukunft mit Laurenz zunichtezumachen. Aber blühte ihr wirklich eine glückliche Zukunft, wenn sie ihm nachgab? Wenn sie seinen Wunsch nach einer eigenen Druckerei in Straßburg unterstützte? Sie konnte ihm die Druckerpresse nicht verschaffen, die er begehrte.
Barbara hüpfte an der Hand ihres Vaters vor ihr her und lachte. Auf einmal schien sie wieder putzmunter zu sein und stellte Fragen über Fragen. Henrika verstand nicht, worum es dabei ging, denn ihre Gedanken ließen sie einfach nicht zur Ruhe kommen. Sie schreckte erst auf, als jemand sie anrempelte. Der Mann, ein hagerer Bursche, dessen spinnenartige Beine in abgewetzten Bundhosen steckten, würdigte sie keines Blickes und stakste pfeifend davon, bevor Henrika auch nur den Mund öffnen konnte, um sich zu beschweren.
Empört starrte sie dem Mann hinterher. Als er in eine Seitenstraße abbog, fiel der Schein einer Pechfackel auf sein Gesicht. Henrika stutzte; noch bevor sie begriff, dass sie den Mann kannte, brannten ihre Wangen vor Aufregung.
Sie kannte dieses Gesicht, zweifellos hatte sie es schon einmal gesehen, doch sie konnte sich nicht erinnern, wo das gewesen war. Nur so viel stand fest: Sie verband mit ihm nichts Gutes. Henrika wollte schon ein paar Schritte in die Richtung machen, in die der Mann verschwunden war, doch Barbara hielt sie zurück.
«Wo willst du denn hin, Henrika? Wir müssen hier lang und uns beeilen. Vater sagt, wir seien spät dran!»
Barbara deutete auf einen mit bunten Fresken und kunstvollen Wappenmalereien geschmückten Torbogen. Jenseits des Tores wurde die Straße, die bislang so eng gewesen war, dass kein Wagen sie passieren konnte, wieder breiter. Ein kleiner Platz mit überdachtem Brunnenaufbau und eine hübsche kleine Kapelle mit bunten Glasfenstern und gotischen Türmchen verliehen dem
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