Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
Vom Netzwerk:
ausgerechnet in ihr die Wurzel des Übels sehen. Diese Narren begreifen einfach nicht, welche Bedeutung die Gazette für die Entwicklung ihrer Stadt haben kann.»
    «Auch wenn die Zeitung von einer des Mordes und der Hexerei verdächtigten Magd geschrieben wird?» Henrika legte den Kopf in den Nacken und begann hysterisch zu lachen.
    «Sei still», mahnte David. «Du bist weder eine Hexe noch eine Mörderin, aber …»
    «Aber was?», unterbrach ihn Henrika. «Dein Freund Zorn hält mich seit Tagen in seinem Keller gefangen, und nun schickt er dich, ausgerechnet dich? Warum sollte ich nicht lachen, wenn mir einmal danach zumute ist.»
    «Zorn hat Nachricht aus Mannheim, deiner früheren Heimat.»
    Henrika verstummte. Mit aufgerissenen Augen starrte sie den Druckergesellen an und kam sich vor wie ein Kind, das sich vor der Rute des Schulmeisters fürchtet.
    «Er hat einen Kaufmannsgehilfen losgeschickt, um deine Angaben zu überprüfen.» Er senkte den Blick. «Dir wird nicht gefallen, was er herausfand.»
    «Bitte sag es mir trotzdem.»
    «Es gibt vermutlich nur einen Menschen, der bestätigen könnte, dass der Mörder des Festungsbaumeisters beim Versuch, deine Flucht zu vereiteln, ums Leben kam.»
    «Die Hutmacherin Hahn», bestätigte Henrika mit klopfendem Herzen. «Und? Lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen.»
    «Nun, ich fürchte, sie kann sich nicht mehr für dich verbürgen, denn sie ist tot. Sie starb in einem Feuer, das bald nach deiner Flucht in einem Mannheimer Wirtshaus ausbrach. Dem Bericht zufolge gelang es niemandem im Haus, den Flammen zu entrinnen. Es tut mir leid.»
    Henrika verbarg ihr Gesicht in den Händen. Agatha, Elisabeth und Lutz – alle tot. Aber warum? Agatha hatte ihr geholfen; hatte sie damit ihr Todesurteil unterschrieben? Henrika konnte die Tränen nicht aufhalten, die ihr in die Augen schossen. Trotz allem, was ihr in Mannheim widerfahren war, hatte sie die beiden Frauen geliebt, die ihr einst ein Zuhause gegeben hatten.
    Sanft zog David sie vom Boden hoch und legte ihr den Arm um die Schultern. Sie gehorchte seinen Anordnungen, doch ihre Beine knickten beim Gehen ein wie Zunderhalme. Erst als sie auf der obersten Stufe der Kellertreppe angekommen waren und Henrika den frischen Luftzug auf den Wangen spürte, begriff sie, dass David sie wirklich in die Freiheit führte.
    Es waren nur wenige Menschen unterwegs, als sie auf die Gasse traten. Dennoch mied David die Straße, die zum Münsterplatz führte, und wandte sich stattdessen gen Osten. Eine Weile liefen sie an der Stadtmauer entlang, vorbei am Barfüßerplatz, bevor sie hinter der Armsünderkapelle in ein schäbiges Viertel einbogen. Henrika war hier noch nie gewesen. Ärmliche Hütten mit baufälligen, gefährlich weit über die Gasse ragenden Balkonen drängten sich aneinander, sodass der Durchgang zwischen den Häusern bald nur noch wenige Handbreit zählte. Eingänge, die in dunkle Flure führten, Treppen, die auf halber Höhe endeten, und Dächer, die jeden Moment einzustürzen drohten, verschmolzen zu einem einzigen Labyrinth, aus dem Flüche und Schimpfwörter ins Freie drangen. Eine Frau beklagte sich lautstark über die Faulheit ihrer Tochter. Im nächsten Moment wurde die Tür aufgerissen, und ein Mädchen in einem zerlumpten Kleid floh wie von Furien gehetzt die Straße hinunter.
    Henrika blickte ihr mit offenem Mund nach, doch David zerrte sie am Handgelenk weiter die Gasse hinunter. In dieser Gegend konnte es gefährlich sein, stehen zu bleiben oder sich in fremde Angelegenheiten zu mischen. Dies bekam wenige Schritte weiter ein angetrunkener Abdecker zu spüren, der schimpfend aus einer verlotterten Taverne torkelte. Er schleifte einen Sack über den sandigen Boden, von dem ein bestialischer Gestank ausging. Eine Schar Gassenkinder, die vor einem der Häuser gespielt hatten, wurde auf den Mann aufmerksam. Sie bückten sich, um Erdklumpen zu sammeln, dann setzten sie dem Betrunkenen nach, bis dieser schimpfend unter einem mit wuchernden Ranken bewachsenen Torbogen verschwand.
    Henrika drückte sich gegen eine Mauer, die einen Garten einfriedete, und verharrte dort, bis die lärmende Kinderschar verschwunden war. In der Ferne sah sie den Metzgerturm, von dessen Dach bunte Fahnen mit dem Stadtwappen wehten. Obwohl sie keine hundert Schritte mehr vom Münsterplatz trennten, kam sie sich vor wie in einer anderen Welt. Hier wohnten die Ärmsten der Armen, aber auch Beutelschneider und Bettler hatten hier

Weitere Kostenlose Bücher