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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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unserer Verantwortung für dich», verkündete Agatha schließlich. «Wir haben genug, um es mit dir zu teilen. Aber im Dorf will das Gerede über dich nicht verstummen. Im Gegenteil, es wird lauter und lauter.»
    Henrika dachte an die hämischen Worte des Flickschusters und wie unverfroren er sich ihr in der Scheune genähert hatte, um seinen Spott mit ihr zu treiben. War es das, was Agatha mit Gerede meinte? Unwillkürlich legte sie ihre Hand über das sittsam eingeschnürte Dekolleté. In den letzten Jahren hatte ihr Körper die knabenhafte Dürre verloren, die ihr früher so oft Kopfzerbrechen bereitet hatte. Ihre Hüften hatten sich gerundet, die Brüste waren fest und straff geworden. Sie empfand sich selbst nicht als schön, und die sehnsüchtigen Blicke, mit denen die Burschen ihr nachsahen, wenn sie über den Dorfplatz ging oder sich im Wirtshaus über die Tische beugte, waren ihr unangenehm. Aber war es ihre Schuld, wenn Körper und Geist allmählich zum Leben erwachten und die Männer bei ihrem Anblick auf dumme Gedanken kamen?
    «Dein Vater und ich sind der Meinung, dass du einen braven Handwerker heiraten solltest», sagte Agatha, wobei sie ihrem Mann einen beschwörenden Blick zuwarf. «Einen Mann, der dich versorgt und sich nicht an deiner Herkunft stört.» Agatha holte tief Luft. Fürchtete sie, dass Hahn sich einmischen würde, so war ihre Angst jedoch unbegründet. Der Hutmacher starrte noch immer mit derselben ausdruckslosen Miene vor sich auf den Tisch.
    «Heiraten? Einen braven Handwerker?» Henrika schüttelte den Kopf. «Elisabeth hat bereits eine Andeutung gemacht. Sie behauptet, ihr hättet die Dorfältesten eingeladen, um mich bei ihnen oder einem ihrer Söhne anzupreisen. Aber deiner Miene entnehme ich, dass keiner von ihnen angebissen hat?»
    «Einer Frau mit einer derart spitzen Zunge mag auch kein ordentlicher Mann die Tür öffnen», schimpfte Agatha. Vor Aufregung bildeten sich rote Flecken auf ihren Wangen. «Aber glücklicherweise gibt es dennoch einen Bewerber, der dich nehmen würde. Es ist Wilhelm Bunter, der Flickschuster.»
    Henrika war, als öffnete sich der Boden unter ihren Füßen. Sie konnte nur hoffen, sich verhört zu haben. Ausgerechnet Bunter? Der Mann, der sie in eine Falle gelockt und gequält hatte, trug sich mit dem Gedanken, sie zu heiraten? Das konnte nur ein Scherz sein. Ein grausamer Scherz, um die Hahns zu ärgern. Bunter hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er Henrika verachtete. Er hatte sie als Hurenkind beschimpft, und selbst wenn er und seine Kumpane sie in der kalten Zollscheune nur genarrt hatten, war Henrika doch klar geworden, dass der Flickschuster Frauen nur dafür missbrauchte, um an ihnen seinen Hang zur Gewalttätigkeit auszuleben.
    «Wilhelm Bunter ist gewiss kein braver Handwerker, sondern ein Ungeheuer», stieß sie keuchend hervor. «Niemals könnte ich die Frau eines solchen Halunken werden. Wie um alles in der Welt kommst du auf die Idee, dass er es ernst meinen und mich vor Gott und der Welt zu seiner Ehefrau machen würde?»
    «Der Leinenweber, der in der Glockengasse wohnt, hat mich zur Seite genommen und erzählt, dass sein Freund dich nehmen würde», antwortete Agatha. «Er bat mich, nach Rückkehr deines Vaters über den Antrag nachzusinnen.»
    «Lieber würde ich mein Leben als Dienstmagd eines Viehhirten beschließen, als die Frau dieses Grobians zu werden», rief Henrika.
    «Dein Hochmut wird dir vergehen, sobald du mittellos auf der Straße stehst», keifte Agatha ungerührt. «Du wirst dich entweder unseren Wünschen fügen oder das Haus verlassen. Entscheide dich, aber sei dir auch darüber klar, dass dein Weg dieses Mal keine Umkehr zulässt. Er wird endgültig sein.»
    Henrika schaute zu Hahn hinüber, der sich über den Tisch beugte, als kämpfe er gegen einen Krampf an. Sein Gesicht war totenbleich, seine Lippen zitterten, doch noch immer ging er auf die wütenden Drohungen seiner Frau mit keinem Wort ein. Hatte er nicht gehört, was sie gesagt hatte? Wie konnte er nur erlauben, dass sie so mit ihr umsprang und ihn einfach überging? Gewiss würde er gleich aufstehen, Agatha zurechtweisen und ihr mit ruhiger Stimme zu verstehen geben, dass er ihren ungeheuerlichen Vorschlag nicht ernst nehmen konnte. Er würde sich mit ihr auf die Ofenbank setzen und andere Möglichkeiten bezüglich ihrer Zukunft erörtern. Schließlich gab es auch für eine unverheiratete Frau Arbeit im Dorf. Elisabeth konnte sie im Wirtshaus

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