Die Meisterin der schwarzen Kunst
meisten jedoch blieben gefasst. Am Fuße des Podests wartete bereits eine von drei Söldnern bewachte Truhe, welcher der Bauschreiber alsbald Lederbeutel entnahm. Sie enthielten ein großzügig bemessenes Abfindungsgeld.
«Wie rasch sich Schreie der Empörung doch in Rufe des Entzückens verwandeln können», bemerkte Anna spitz, als sie zur Zollschreiberei zurückfuhren. Henrika atmete tief durch. Sie war froh, dass die Unterzeichnung des Vertrags ohne Blutvergießen vonstattengegangen war. Aber sie musste Anna beipflichten. Wohin sie auch sah, tauchten zufriedene Gesichter auf. Frauen standen beisammen und winkten den vorbeifahrenden Karossen zu. Kappen wurden geschwenkt.
Die zukünftigen Stadtbürger waren nunmehr bester Laune. Mit einem Beutel harter Gulden in der Tasche sah die Zukunft nicht mehr ganz so düster aus, wie sie der Pfarrer in seiner letzten Predigt heraufbeschworen hatte. Singend und plaudernd setzte sich ein Zug von Männern und Frauen, Greisen und Kindern in Bewegung.
Mit dem Frühlingsbeginn schlug das Wetter um, und der Himmel sandte einen garstigen Regen über das Land. Grimmige Kälte verbannte Mensch und Vieh in die Stuben und Ställe. Dennoch rückten die kurpfälzischen Hofbeamten nicht von ihrem Termin für die feierliche Grundsteinlegung der Festung ab, denn der Kurfürst war ein vielbeschäftigter Mann und ließ sich von ein paar Tropfen nicht davon zurückhalten, dem Dorf persönlich seinen Besuch abzustatten.
Henrika und Anna hatten bereits Tage vor der Ankunft des Fürsten alle Hände voll zu tun.
Würde Friedrich von der Pfalz auch die Zollschreiberei besuchen? Musste Henrika ihm dann aufwarten, oder nahm er seine Diener und Pagen auf Reisen mit? Sie hoffte Letzteres, denn sie hatte keine Ahnung, wie man sich einem Fürstenpaar gegenüber verhielt.
Dessen ungeachtet bedeutete Annas Anwesenheit im Haus für Henrika eine gewisse Erleichterung. Kein einziges Mal hatte die Nichte des Festungsbaumeisters ihr mit Fragen über ihre Beziehung zu Barthel zugesetzt, ein Umstand, für den Henrika der jungen Adeligen dankbar war. Anna hatte eine geräumige Kammer im oberen Stockwerk des Hauses bezogen und sie ohne Umschweife zu ihrem Reich erklärt. Das Zimmer verfügte über ein großes Fenster, durch das die Sonne schien, und vor dem Bett hingen die prächtigsten Vorhänge, die Henrika jemals gesehen hatte. Manchmal lud Anna sie ein, neben ihr auf der Bank Platz zu nehmen. Während Nebelschleier um die Bäume auf dem Hof strichen und der Frühlingsregen gegen die Fenster trommelte, unterrichtete Anna sie in höfischem Gesang oder brachte ihr Gedichte und ein paar Worte Latein bei. Henrika revanchierte sich dafür, indem sie Barthels Verwandte in die Kunst des Garnspinnens einweihte, aber diese Beschäftigung ermüdete Anna meist rasch, und Henrika gewann bald den Eindruck, dass ihre Freundin sich nur aus Höflichkeit daran versuchte. Umso lieber erzählte sie Henrika vom Leben am kurfürstlichen Hof, von der Kurfürstin und ihrer großen Kinderschar. Sie schien alle zu kennen und so vertraut mit ihnen zu sein, als wäre sie ihnen ebenbürtig.
«Wenn es im Land nur friedlich bleibt und kein Krieg ausbricht.» Henrika stand auf und blickte aus dem Fenster. Der anhaltende Regen hatte die Straße, die zum Tor führte, in ein dunkelbraunes Moor verwandelt. Einer der Pferdeknechte stapfte mit so schnellen Schritten durch die Pfützen, dass das Wasser bis zu den Knien aufspritzte. Vermutlich kam er aus der Scheune, denn er trug einen Holzbohrer und einige Bretter bei sich, mit denen er vermutlich eine Reparatur durchgeführt hatte. Barthel vermutete, Kurfürst Friedrich werde die Grundsteinlegung für Festung und Stadt zum Anlass nehmen, auch seine Zollhäuser zu besichtigen. Davon abgesehen sollten beide Scheunen hergerichtet werden, damit sie Arbeitern als trockene Unterkunft dienen konnten, solange die geplante Siedlung mit neuen Häusern und Stallungen noch unvollendet war.
Ein heftiger Wind, der schon seit Tagen über das Land brauste, hatte jedoch zu Verzögerungen geführt, und das war sehr ärgerlich für den Baumeister, denn jeder Tag, der ungenutzt verstrich, kostete den Kurfürsten ein Vermögen. Dabei gab es vor der Grundsteinlegung noch jede Menge zu tun. Der Festungsvorplatz sollte mit Pflastersteinen belegt, Schanzgräben und Baugruben für zehn Türme sollten ausgehoben werden. Solange aber die hierfür angeworbenen Männer ihre Arbeit nicht fortsetzen konnten, verbrachten
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