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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Als der Dicke Henrikas Blick bemerkte, neigte er mit einem freundlichen Lächeln den Kopf und kam auf sie zugestapft. Seine beiden Begleiter, die einige Jahre jünger und wesentlich schlanker waren, folgten ihm.
    «Ein wirklich heißer Tag», sagte der Mann. Seine Stimme klang hoch und überschlug sich beinahe. Ihm war anzusehen, dass die Sonne ihm zusetzte. «Könnt Ihr mir vielleicht weiterhelfen? Ich suche den niederländischen Festungsbaumeister Barthel Janson. Der Pfarrer meinte, ich fände ihn auf der Baustelle. Aber schaut Euch nur um, die ganze Stadt ist eine einzige Baustelle.»
    Henrika klappte ihr Buch zu und stand auf. «Ich weiß, was Ihr meint, Herr. Aber ich kann Euch weiterhelfen. Zu dieser Stunde trefft Ihr den Baumeister im Zollhof an. Ich begleite Euch gern dorthin. Es ist nicht weit.»
    Der Fremde wollte ablehnen, aber Henrika bedeutete den Männern mit einer Geste, ihr zu folgen. Ein wenig Zerstreuung war genau das, was sie jetzt brauchte.
    «Wir haben uns noch nicht vorgestellt», keuchte der Fremde, dem es offensichtlich schwerfiel, mit Henrika Schritt zu halten. In regelmäßigen Abständen blieb er stehen, um sich den Schweiß von der Stirn zu tupfen. «Mein Name ist Johannes Carolus und ich komme aus Straßburg. Ich besitze eine Buchdruckerei. Die beiden schweigsamen Burschen an meiner Seite sind meine Gesellen Laurenz und David.»
    Henrika neigte höflich den Kopf. Sie hätte zu gern gewusst, was die Straßburger zum Baumeister führte, zügelte aber ihre Neugier. Es stand ihr schließlich nicht zu, Gäste des Baumeisters mit Fragen zu belästigen.
    In der Zollschreiberei wurde der Druckermeister von einem hocherfreuten Barthel in Empfang genommen und sogleich eingeladen, in seinem Kabinett bei einem Becher Wein Platz zu nehmen. Henrika erhielt den Auftrag, in der Zwischenzeit die Gesellen des Mannes zu versorgen.
    «Herr Carolus hat in Straßburg meine Schriften verlegt und gebunden», raunte der Baumeister ihr auf der Treppe zu.
    «Verlegt? Ihr meint, er findet sie nicht mehr?»
    Barthel lachte sie aus. «Er hat sie gedruckt, mein Kind. Habe ich deine Neugier damit einstweilen befriedigt? Dann kannst du ja jetzt der Köchin Beine machen. Die Herren bleiben selbstverständlich zum Essen.» Mit diesen Worten stieg er die Treppe hinauf, um seinen Gast nicht länger warten zu lassen.

    Bei einer Erfrischung, die Henrika in der Stube reichte, erfuhr sie, dass Laurenz und David Schlüssel Brüder waren und seit frühester Jugend in Meister Carolus’ Diensten standen.
    Beide Männer hatten dunkles, glänzendes Haar, das in leichten Wellen über ihre Schultern fiel, eine frische, gesunde Gesichtsfarbe und kräftige Körper. Sie schienen gern an der frischen Luft zu sein und sich vor langen Fußmärschen nicht zu fürchten, was für Drucker, die doch tagaus, tagein in einer stickigen Werkstatt standen, ungewöhnlich war. Doch damit hörten die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden auch schon auf.
    Während Laurenz, der Ältere, Henrika in der Tafelstube mit fröhlichem Geplauder unterhielt und mehrere Male zum Lachen brachte, machte sein Bruder den Mund nur auf, um sich dicke Scheiben vom frisch gebackenen Weizenbrot, gepökelten Schinken und fetten Aal in brauner Tunke einzuverleiben. Er sah schwermütig aus, was seinen dunklen Augen mit den langen Wimpern zwar einen zauberhaften Ausdruck verlieh, andererseits aber auch recht bedrückend wirkte. Dazu vermied er es geflissentlich, seine Gastgeberin auch nur einmal anzusehen. Nach einer Weile gab Henrika es auf, ihn in das Gespräch mit einzubeziehen, und sie fragte sich, warum sein Meister einen so schweigsamen Gesellen überhaupt mitgenommen hatte. Als das Abendläuten einsetzte, schob er den Teller von sich, hielt sich den Magen und stand auf.
    «Ich werde mich noch ein wenig in dem zugigen Dörfchen umschauen, das die Leute hier so kühn Stadt nennen», erklärte David lustlos. «Meister Carolus wird einen Lagerschuppen brauchen, wenn er mit dem Baumeister handelseinig wird.» Der junge Mann musterte Henrika misstrauisch, gab aber keine weitere Erklärung ab.
    Laurenz winkte gelangweilt ab. «Wie ich den Alten kenne, wird er noch Stunden mit seinem Freund plaudern. Du kannst also schon einmal allein losziehen und dich umschauen. Es wäre eine Sünde, eine so hübsche Jungfer einfach sich selbst zu überlassen, nachdem sie so höflich war, uns die Zeit zu vertreiben. Also, amüsiere dich gut.»
    Henrika errötete, aber es freute sie, dass der

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