Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
Gedankens, dass ich mich mit dem Engländer, den ich so sehr hasste, würde messen können, betrat ich das Haus.
Gleichzeitig mit meiner Mutter, die in der Kirche war, kam mein Diener Tim aus Barryville zurück, denn die liebe Lady sorgte sich wegen meiner Abwesenheit und wartete ängstlich auf meine Heimkehr. Er hatte mich zum Essen ins Haus gehen sehen – eine Einladung der empfindsamen Zofe; und als ihm in der Küche, die immer besser zugerüstet war als unsere daheim, sein Anteil an den Köstlichkeiten zuteilgeworden war, ging er wieder nach Hause, um seiner Herrin mitzuteilen, wo ich mich befand, und ihr zweifellos auf seine Weise von allem zu berichten, was sich in Castle Brady zugetragen hatte. Aus der Art, wie sie mich bei meiner Ankunft umarmte und auch unseren Gast, Hauptmann Fagan, empfing, glaubte ich schließen zu dürfen, dass sie trotz meiner sorgsamen Vorkehrungen in Sachen Geheimhaltung alles wusste. Die gute Seele schien ein wenig besorgt und erregt, musterte immer wieder aufmerksam das Gesicht des Hauptmanns, erwähnte den Streit aber mit keinem Wort, denn sie war von edlem
Gemüt und hätte einen Verwandten lieber hängen als sich vor einem Ehrenhandel drücken sehen. Was ist nur aus solch großherzigen Empfindungen geworden? Vor sechzig Jahren war im guten alten Irland ein Mann ein Mann , und der Degen, den er an der Seite trug, war bei der geringsten Meinungsverschiedenheit bereit, einem Gentleman an die Kehle zu fahren. Aber die guten alten Zeiten und Bräuche schwinden rasch dahin. Heute hört man kaum noch von einem anständigen Zweikampf, und die Verwendung feiger Pistolen statt der ehrenhaften und männlichen Waffe von Gentlemen hat den Gepflogenheiten des Duells einiges an Schurkerei verliehen, was man nicht genug bedauern kann.
Als ich heimkam, fühlte ich mich wie ein richtiger Mann, und nachdem ich Hauptmann Fagan majestätisch und würdevoll in Barryville willkommen geheißen und ihn meiner Mutter vorgestellt hatte, sagte ich, der Hauptmann müsse nach dem Spaziergang durstig sein, und wies Tim an, sogleich eine Flasche von dem Bordeaux mit der gelben Kapsel sowie Gebäck und Gläser zu bringen.
Tim schaute die Herrin höchst erstaunt an; und wirklich hätte ich noch sechs Stunden zuvor
eher daran gedacht, das Haus niederzubrennen, als auf eigene Verantwortung eine Flasche Rotwein zu verlangen. Ich fühlte mich jedoch nun als Mann und hatte das Recht zu befehlen; und meine Mutter empfand dies auch, denn sie wandte sich an den Burschen und erklärte schroff: «Hörst du nicht, du Lump, was dein Herr sagt? Geh, hol sofort den Wein, das Gebäck und die Gläser.» Dann ging sie und holte selbst das Getränk (denn natürlich gab sie Tim nicht die Schlüssel zu unserem kleinen Keller); und Tim trug alles geziemend auf dem Silbertablett herein. Meine liebe Mutter schenkte den Wein ein und hieß den Hauptmann mit einem Schluck willkommen; ich bemerkte jedoch, dass ihre Hand bei der Ausübung dieser höflichen Pflicht arg zitterte, und die Flasche klirrte gegen das Glas. Als sie ihres geleert hatte, sagte sie, sie leide an Kopfschmerzen und wolle sich zu Bett begeben; daher bat ich um ihren Segen, wie es einem pflichtbewussten Sohn zukommt (die Sprösslinge von heute haben diese achtungsvollen Zeremonien aufgegeben, die zu meiner Zeit einen Gentleman auszeichneten), und sie verließ uns, damit Hauptmann Fagan und ich unsere bedeutenden Angelegenheiten bereden konnten.
«Nun denn», sagte der Hauptmann. «Ich sehe jetzt wirklich keinen anderen Ausweg aus dieser Lage als ein Treffen. Übrigens wurde schon in Castle Brady darüber gesprochen, nach Ihrem Angriff auf Quin heute Nachmittag, und er hat geschworen, er werde Sie in Stücke schneiden; nur die Tränen und das Flehen von Miss Honoria haben ihn, wiewohl widerwillig, zum Einlenken bewogen. Nun sind die Dinge jedoch zu weit gediehen. Kein Offizier mit einem Patent seiner Majestät kann hinnehmen, dass er ein Glas Wein ins Gesicht bekommt – Ihr Bordeaux ist übrigens sehr gut, und mit Ihrer Erlaubnis wollen wir uns eine weitere Flasche bringen lassen –, ohne dies als Affront zu werten. Also müssen Sie kämpfen, und Quin ist ein großer, starker Kerl.»
«Dann gibt er ein desto besseres Ziel ab», antwortete ich. «Ich habe keine Angst vor ihm.»
«Wahrhaftig», sagte der Hauptmann, «ich glaube es Ihnen. Ich habe noch nie solchen Schneid bei einem jungen Burschen erlebt.»
«Schauen Sie sich dieses Schwert an, Sir», sagte
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