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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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schrecklich? Ich bin so vollgestopft mit Neuigkeiten und mit Fragen, dass ich nicht weiß, wo beginnen. Zuallererst», sie senkte die Stimme, «wie sind Sie den Toten losgeworden? Klingt das nicht scheußlich? Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal in einen Mord verwickelt würde.»
    «Das ist sicherlich eine neue Erfahrung für Sie», stimmte Anthony zu.
    «Für Sie nicht?»
    «Nun, jedenfalls habe ich bestimmt noch nie zuvor einen Toten beiseite geschafft.»
    «Erzählen Sie mir, was Sie taten.»
    In kurzen Worten klärte Anthony sie über alle Schritte auf, die er unternommen hatte. Virginia hörte aufmerksam zu.
    «Das haben Sie sehr schlau angefangen», lobte sie. «Ich hole den Koffer ab, wenn ich nachhause zurückfahre. Hoffentlich fragt man Sie nicht, wo Sie gestern am frühen Abend waren.»
    «Ich glaube kaum, dass diese Frage auftauchen wird. Ein Alibi für die spätere Nacht wäre viel wichtiger für mich.»
    «Lord Caterham hat mir alles erzählt. Aber der Mann von Scotland Yard ist jetzt doch von Ihrer Unschuld überzeugt, nicht wahr?»
    Anthony antwortete nicht sofort.
    «Er sieht nicht sehr scharfsinnig aus», fuhr Virginia fort.
    «Das möchte ich nicht behaupten», entgegnete Anthony langsam. «Ich habe den Eindruck, dass sich Inspektor Battle kein X für ein U vormachen lässt. Er tut so, als ob er mir glaubt – aber ich bin dessen keineswegs sicher. Er ist nur stutzig, weil er vorläufig kein Motiv für mich findet.»
    «Vorläufig?», rief Virginia aus. «Welchen Grund sollten Sie denn gehabt haben, einen völlig unbekannten Grafen zu ermorden?»
    Anthony warf ihr einen scharfen Seitenblick zu.
    «Sie haben doch einige Zeit in Herzoslowakien gelebt?», fragte er.
    «Ja. Mein Mann arbeitete dort zwei Jahre auf der Gesandtschaft.»
    «Das war kurz vor der Ermordung des Königs. Haben Sie jemals den Fürsten Michael getroffen?»
    «Michael? Selbstverständlich! Ein schrecklicher Tunichtgut. Er schlug mir sogar vor, ihn morganatisch zu heiraten.»
    «Tatsächlich? Und wie wollte er Ihren Mann beiseiteschaffen?»
    «Oh, er hatte sich so eine Art David- und Uria-Plan ausgeheckt.»
    «Was sagten Sie zu diesem königlichen Angebot?»
    «Nun», bemerkte Virginia, «leider musste ich diplomatisch sein. Ich konnte ihm nicht so scharf antworten, wie ich es gern getan hätte. Aber immerhin zog er sich tief gekränkt zurück. Warum interessieren Sie sich so für den guten Michael?»
    «Eine kleine Vermutung von mir. Sie haben den Ermordeten wohl nicht gesehen?»
    «Nein. Er ‹zog sich gleich nach seiner Ankunft in seine Gemächer zurück›, wie man so schön sagt.»
    «Wäre es möglich, dass man Ihnen den Toten zeigt?»
    «Wenn ich meine Verbindungen spielen lasse – damit meine ich Lord Caterham –, sollte das wohl zu machen sein. Warum? Ist das ein Befehl?»
    «Um Himmels willen, nein!», sagte Anthony entsetzt. «Klang ich denn so diktatorisch? Die Sache ist nur die: Graf Stanislaus war das Inkognito des Fürsten Michael von Herzoslowakien.»
    Virginias Augen weiteten sich vor Staunen.
    «So ist das also!» Plötzlich lächelte sie. «Sie wollen doch hoffentlich nicht andeuten, dass Fürst Michael nur deshalb auf sein Zimmer ging, um ein Zusammentreffen mit mir zu vermeiden?»
    «Etwas Ähnliches», gab Anthony zu. «Sehen Sie: Wenn ich damit recht habe, dass jemand Ihre Anwesenheit auf Chimneys unbedingt verhindern wollte, dann geschah es aus dem Grunde, weil Sie Herzoslowakien kennen. Und Sie sind auch die einzige Person hier, die den Fürsten kannte.»
    «Glauben Sie, dass der Ermordete ein Betrüger war?»
    «Jedenfalls ging mir diese Möglichkeit durch den Kopf. Wenn Sie Lord Caterham überreden könnten, Ihnen den Leichnam zu zeigen, dann wüssten wir hierüber Bescheid.»
    «Er wurde 23 Uhr 45 erschossen – die gleiche Zeit, die auf dem Zettel stand», meinte Virginia nachdenklich. «Alles ist so schrecklich geheimnisvoll.»
    «Noch eine Frage: Ist das Ihr Fenster dort oben? Das zweite von außen, direkt über dem Ratssaal?»
    «Nein, mein Zimmer liegt im elisabethanischen Flügel, auf der anderen Seite. Warum fragen Sie?»
    «Als ich gestern Nacht nach dem Schuss umkehrte, ging das Licht in diesem Zimmer an.»
    «Wie merkwürdig! Ich weiß nicht, wem dieses Zimmer gehört, aber ich werde Bundle danach fragen. Vielleicht hörte man dort den Schuss?»
    «Wenn dies der Fall war, so hat sich doch niemand darum gekümmert. Battle sagte mir, dass kein Mensch den Schuss gehört habe. Dies Fenster

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