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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ersten Stock?»
    «Sie enttäuschen mich sehr», rief Bundle aus. «Das ist das Zimmer der französischen Erzieherin, Mademoiselle Brun. Sie macht den fruchtlosen Versuch, meine kleinen Schwestern Dolly und Daisy in Zucht und Ordnung zu halten.»
    «Mademoiselle Brun», murmelte Anthony. «Wie lange ist sie schon hier?»
    «Zwei Monate. Sie kam zu uns, als wir in Schottland waren.»
    «Ah», meinte Anthony, «ich rieche etwas.»
    «Ich wünschte, ich könnte das Mittagessen riechen», lächelte Bundle. «Muss ich die Herren von Scotland Yard zum Essen einladen, Mr Cade? Sie sind ein Mann von Welt und wissen in solchen Dingen sicher Bescheid. Wir hatten noch nie einen Mord im Hause. Aufregend, nicht wahr? Es tut mir aufrichtig leid, dass Ihre Unschuld bereits so klar zu Tage trat. Es wäre interessant gewesen, einen Mörder kennen zu lernen. – Mein Gott, was ist das?»
    «Das» entpuppte sich als ein Taxi, das die Auffahrt emporfuhr.
    Einer der Insassen war ein großer Mann mit kahlem Kopf und einem schwarzen Bart, der andere schien jünger und kleiner und trug einen schwarzen Schnurrbart. Den ersten erkannte Anthony sogleich.
    «Wenn ich mich nicht sehr täusche», bemerkte er, «ist das mein alter Freund Baron Lollipop.»
    «Baron L…?»
    «Ich nenne ihn der Bequemlichkeit halber Lollipop. Seinen wirklichen Namen kann man nur gurgeln.»
    «Das ist also dieser Baron?», lachte Bundle. «Er hat heute früh so gebrüllt, dass unser Telefon beinahe platzte. Ich sehe schon kommen, dass man ihn wieder auf mich abschieben wird, und ich habe bereits den halben Vormittag Mr Isaacstein unterhalten dürfen. George soll doch seine schmutzige Arbeit selbst tun! – Entschuldigen Sie mich bitte, Mr Cade. Ich muss meinem armen Vater zu Hilfe eilen.»
    Anthony blickte ihr einen Augenblick nach und zündete sich nachdenklich eine Zigarette an. Da hörte er ein leises Geräusch in seiner Nähe. Er stand vor dem Bootshaus, und das Geräusch kam von der anderen Seite her. Doch konnte er den Mann nicht erblicken, der dort vergeblich einen Niesreiz zu unterdrücken versuchte.
    Er warf sein Streichholz weg und eilte leichtfüßig und lautlos um die Ecke des Bootshauses herum.
    Dort sah er einen Mann, der offensichtlich auf dem Boden gekniet hatte und sich jetzt hastig zu erheben versuchte. Er war schlank, trug einen hellen Überzieher, eine Brille und sah im Übrigen wie ein schwarzbärtiger Geck aus. Sein Alter schätzte Anthony zwischen dreißig und vierzig, und alles in allem bot er einen respektablen Anblick.
    «Was tun Sie denn da?», fragte Anthony. Er war ziemlich sicher, dass der Mann nicht zu Lord Caterhams Gästen gehörte.
    «Ich bitte um Verzeihung», sagte der Fremde mit ausländischer Betonung und einem Lächeln, das entwaffnend sein sollte. «Es ist, dass ich möchte zum Gasthaus zurückkehren und verloren habe den Weg. Will Monsieur so gut sein, mir zu helfen?»
    «Sicherlich», meinte Anthony kühl. «Aber der Weg dorthin führt nicht über das Wasser.»
    «Ich bin sehr betrübt», sagte der andere. «Ich habe die Richtung verloren und wollte mich nur hier erkundigen.»
    Anthony fasste den Fremden freundlich am Arm.
    «Gehen Sie hier herum, dem Ufer entlang und dann geradeaus – Sie können den Weg nicht verfehlen. Dort halten Sie sich links, dann kommen Sie direkt zum Dorf. Sie wohnen im ‹Cricketer›, nehme ich an?»
    «Jawohl, Monsieur, seit heute Morgen. Vielen Dank für Ihre freundliche Bemühung.»
    «Nichts zu danken», murmelte Anthony. «Hoffentlich haben Sie sich nicht erkältet.»
    «Eh?», meinte der Fremde.
    «Beim Knien auf dem feuchten Boden», erläuterte Anthony liebenswürdig. «Ich glaubte, Sie niesen zu hören.»
    «Vielleicht ich habe geniest», gab der andere zu.
    «Ganz richtig», sagte Anthony. «Aber Sie sollten das Niesen nicht so krampfhaft zu unterdrücken suchen. Das ist sehr ungesund.»
    «Guten Morgen, Monsieur, vielen Dank für die Begleitung.»
    «Zweiter Verdächtiger im Gasthof», brummte Anthony, als er dem anderen nachschaute. «Noch dazu einer, der nirgends hinpasst. Sieht aus wie ein französischer Handlungsreisender. Sicher kein Bruder von der Roten Hand. Sollte noch eine dritte Partei im Spiele sein? Die französische Erzieherin hat das zweite Fenster von rechts. Ein geheimnisvoller Franzose treibt sich spionierend herum und horcht Gespräche ab, die nicht für ihn bestimmt sind. Ich wette, dahinter steckt etwas!»
    Mit diesen Überlegungen beschäftigt, schritt Anthony

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