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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ist die einzige Spur, die ich besitze, und sie ist sehr schwach. Trotzdem möchte ich sie verfolgen.»
    «Es ist wirklich eigenartig», meinte Virginia. Sie waren beim Bootshaus angelangt und hatten sich beim Reden ans Geländer gelehnt.
    «Und nun zu meiner Geschichte», sagte Anthony. «Wir wollen auf den See hinausrudern. Dort sind wir sicher vor den gespitzten Ohren von Scotland Yard, vor neugierigen Amerikanern und Dienstbotenaugen.»
    «Lord Caterham hat mir bereits einiges erzählt», sagte Virginia, «aber viel zu wenig. Zuerst: Wer sind Sie nun eigentlich – Anthony Cade oder Jimmy McGrath?»
    Zum zweiten Mal an diesem Morgen berichtete Anthony über die letzten fünf Wochen seines Lebens, nur mit dem Unterschied, dass er vor Virginia keine Auslassungen zu machen brauchte. Er schloss mit seinem Erkennen von Mr Holmes.
    «Übrigens, Mrs Revel», meinte er zuletzt, «ich habe Ihnen noch gar nicht dafür gedankt, dass Sie Ihr Seelenheil aufs Spiel setzten durch die Behauptung, ich sei ein alter Freund von Ihnen.»
    «Selbstverständlich sind Sie ein alter Freund!», rief Virginia aus. «Sie glauben doch nicht, dass ich Sie mit einer Leiche aus meinem Hause beladen und dann kühl erklären würde, Sie seien eine ganz flüchtige Bekanntschaft? Nein!»
    «Ich möchte noch etwas wissen», sagte Anthony lächelnd.
    «Was denn?»
    «Weshalb waren Sie so verblüfft, als ich gestern den Namen Jimmy McGrath erwähnte? Hatten Sie ihn früher schon gehört?»
    «Ja, ich habe ihn gehört, mein lieber Sherlock Holmes.»
    Und nun erzählte sie von Lomax’ Besuch und dessen sonderbarem Anliegen.
    «In einem Punkt hat sein Plan immerhin Erfolg gehabt», bemerkte Anthony. «Hier bin ich – der Mann, den er für McGrath hielt –, und hier sind Sie und sind außerordentlich freundlich zu mir.»
    «Mit einem Unterschied: keine Memoiren für den armen George! Jetzt möchte ich aber auch eine Frage stellen: Als ich Ihnen sagte, ich hätte diese Briefe nicht geschrieben, antworteten Sie, das wüssten Sie bereits. Sie konnten es aber doch gar nicht wissen!»
    «O doch, das konnte ich», lächelte Anthony. «Mein psychologischer Spürsinn arbeitet sehr zuverlässig.»
    «Sie glauben, dass meine moralischen Grundsätze –»
    «Keineswegs. Ich weiß nichts über Ihre moralischen Grundsätze. Sie könnten vielleicht einen Liebhaber gehabt und ihm auch geschrieben haben. Aber Sie hätten sich niemals erpressen lassen. Die Virginia Revel aus diesen Briefen war völlig außer Fassung. Sie aber hätten gekämpft.»
    «Ich möchte nur wissen, wer jene andere Virginia ist und wo sie lebt. Es ist ein unangenehmes Gefühl, irgendwo eine Doppelgängerin zu haben.»
    «Wissen Sie, dass einer der Briefe von Chimneys aus abgesandt wurde?», fragte Anthony schließlich.
    «Wie?» Virginia fuhr überrascht auf. «Wann wurde er denn geschrieben?»
    «Er trägt kein Datum. Aber die Sache ist merkwürdig, nicht wahr?»
    «Ich bin ganz sicher, dass niemals eine andere Virginia Revel auf Chimneys war. Bundle oder Lord Caterham hätten mir bestimmt etwas über das Zusammentreffen dieser Namen gesagt.»
    «Ja, es ist mehr als verblüffend. Wissen Sie, Mrs Revel, dass ich beginne, an der Existenz dieser zweiten Virginia zu zweifeln?»
    «Sie scheint sehr unwirklich», stimmte Virginia zu.
    «Ich glaube beinahe, dass sich jemand absichtlich Ihres Namens bediente.»
    «Aber warum?», rief Virginia aus.
    «Das ist die Frage. Es muss noch verteufelt viel geklärt werden.»
    «Gehen wir an die Arbeit», meinte Virginia. «Dort sehe ich Lord Caterham mit Bundle spazieren. Zuerst müssen wir herausfinden, ob der Tote wirklich Fürst Michael ist.»
    Anthony ruderte zum Ufer, und ein paar Minuten später begegneten sie Lord Caterham und seiner Tochter.
    «Hier ist ein Freund von mir, Bundle», sagte Virginia. «Sei nett zu ihm.»
    Bundle schaute Anthony ernsthaft an und wandte sich dann mit einer Bemerkung an Virginia, als ob er gar nicht anwesend wäre.
    «Wo gabelst du bloß immer diese netten Männer auf, Virginia?»
    «Ich überlasse ihn dir», lachte Virginia großmütig. «Ich ziehe Lord Caterham vor.»
    Sie strahlte den erfreuten Lord an, ergriff seinen Arm und wandelte mit ihm davon.
    «Können Sie auch reden?», fragte Bundle. «Oder spielen Sie immer den großen Schweiger?»
    «Reden?», sagte Anthony. «Ich klatsche, ich schwatze wie ein Wasserfall. Manchmal stelle ich sogar Fragen.»
    «Zum Beispiel?»
    «Wer bewohnt das zweite Zimmer von rechts im

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