Die Memoiren des Grafen
werden Sie mitleidlos eingefangen.»
Nachdem er Bundle Bill überlassen hatte, schlenderte er gemächlich dorthin, wo lautes Geschrei den mittäglichen Frieden störte. Er wurde mit großem Hurra empfangen.
«Können Sie Indianer spielen?», fragte Dolly sofort.
«Und ob!», gab Anthony zurück. «Ihr müsstet nur mal mein Gebrüll hören, wenn ich skalpiert werde.» Er illustrierte es prompt.
«Nicht schlecht», urteilte Daisy. «Und jetzt das Siegesgeschrei!»
Anthony gehorchte mit schrillem «Hugh!» Nach ein paar Minuten war das Indianerspiel in vollem Gange.
Eine Stunde später wischte sich Anthony die Stirn ab und fragte beiläufig nach Mademoiselles Migräne. Er zeigte sich erfreut zu hören, dass sie wieder völlig hergestellt war. Inzwischen hatten die Kinder ihn derart ins Herz geschlossen, dass er dringend aufgefordert wurde, mit ihnen im Schulzimmer Tee zu trinken.
«Wir müssen uns jetzt wahrscheinlich waschen», bedauerte Daisy. «Aber nachher kommen Sie zu uns zum Tee. Vergessen Sie es nicht!»
Anthony schwor feierlich, dass nichts ihn von der Erfüllung seines Versprechens abhalten könne, und zufrieden trollte sich das Pärchen ins Haus. Anthony blickte ihnen einen Augenblick nach und bemerkte dabei einen Mann, der sich aus einem kleinen Gebüsch fortstahl und durch den Park enteilte. Er war beinahe sicher, dass es sich um den schwarzbärtigen Fremden handelte, den er bereits am Vormittag beobachtet hatte. Als er noch überlegte, ob er ihm folgen sollte, teilten sich die Büsche neben ihm, und Mr Hiram Fish trat hervor. Er erschrak sichtlich beim Anblick von Anthony.
«Haben Sie einen friedlichen Nachmittag verlebt?», fragte dieser.
«Danke, ja.»
Trotz dieser Behauptung sah aber Mr Fish nicht so gelassen aus wie sonst. Sein Gesicht war erhitzt, und er schnaufte hastig wie nach raschem Laufen. Er zog seine Uhr.
«Schätze», bemerkte er leichthin, «dass es Zeit ist für den geheiligten englischen Brauch des Nachmittagstees.»
Seine Uhr einsteckend, schlenderte Mr Hiram Fish dem Hause zu.
Anthony blieb im Garten verloren zurück. Er fuhr wie aus einem Traum auf, als er plötzlich Inspektor Battle dicht neben sich erblickte. Nicht das leiseste Geräusch hatte sein Kommen verraten, er schien plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht zu sein.
«Wo sind denn Sie entsprungen?», fragte Anthony verblüfft.
Mit leichter Kopfbewegung deutete Battle auf das Gebüsch.
«Das scheint heute ein bevorzugter Ort zu sein», bemerkte Anthony.
«Sie waren tief in Gedanken versunken, Mr Cade?»
«Sie sind genau der Mann, den ich dringend zu sehen wünschte, Battle. – Ich möchte verreisen. Ist das möglich?»
Inspektor Battle zeigte nicht das geringste Erstaunen. Seine Antwort war klar und sachlich.
«Das kommt ganz darauf an, wohin Sie gehen wollen.»
«Ich möchte nach Dinard fahren, zum Schloß der Comtesse de Breteuil. Geht das?»
«Wann wollen Sie fahren?»
«Ich schlage vor, morgen nach der Leichenschau. Dann könnte ich am Sonntagabend zurück sein.»
«Verstehe», bemerkte der Inspektor trocken. «Nun, ich habe nichts dagegen – vorausgesetzt, dass Sie wirklich direkt nach Dinard fahren und sofort zurückkehren.»
«Nun gut», sagte Anthony, «ich nehme an, dass Sie Ihre Vorsichtsmaßnahmen treffen. Ein diskreter Vertreter des Rechts wird mich beschatten. Sei’s darum! – Aber ich möchte gern wissen, um was es eigentlich geht.»
«Ich verstehe Sie nicht ganz, Mr Cade?»
«Diese Memoiren – warum all das Getue darum? Was steckt dahinter?»
Battle verzog das Gesicht. Seine nächsten Worte jedoch bezogen sich auf etwas ganz anderes.
«Nehmen Sie an, Mr Cade, dass ich eine Vorliebe für Sie gefasst habe, weil Sie einen guten Eindruck auf mich machen. Ich möchte, dass Sie in dieser Sache mit uns arbeiten. Der Amateur und der Fachmann. Der eine hat sozusagen die Spezialkenntnisse und der andere seine Erfahrungen.»
«Ich gebe gern zu», sagte Anthony langsam, «dass es schon längst mein Traum war, einmal einen Mord aufzuklären.»
«Haben Sie sich eine Meinung über den Fall gebildet, Mr Cade?»
«Massenhaft Meinungen – aber das meiste davon besteht aus Fragen.»
«Zum Beispiel?»
«Wer wird der Nachfolger von Fürst Michael? Das scheint mir ziemlich wichtig zu sein.»
Ein schiefes Lächeln überflog Inspektor Battles Gesicht.
«Ich hatte mich bereits gefragt, ob Sie darauf kommen würden. Prinz Nikolaus ist der nächste Erbe – ein Vetter von Michael.»
«Und wo
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