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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Battle.
    «Darauf kann man sich allerdings nicht immer verlassen, Mr Cade. Besonders Frauen können sich mit etwas Schminke stark verändern. Bei Männern ist das schon schwieriger. Sie können wohl ihre Augenbrauen buschiger machen und falsche Zähne einsetzen, aber dann bleiben immer noch die Ohren. Ich will gar nicht von falschen Bärten reden», fuhr der Inspektor fort. «Davon liest man nur in Büchern. Nein, es gibt nur ganz wenige Männer, die man nicht identifizieren kann. Tatsächlich kenne ich einen Einzigen, der ein Genie der Verwandlung ist: König Victor. Haben Sie jemals von König Victor gehört?»
    In Battles Stimme war plötzlich ein so scharfer Ton, dass Anthony das Wort zurückhielt, das ihm auf der Zunge lag.
    «König Victor», meinte er statt dessen überlegend, «irgendwie kommt mir der Name bekannt vor.»
    «Einer der berühmtesten Juwelendiebe der ganzen Welt. Irischer Vater, französische Mutter. Spricht mindestens fünf Sprachen. Hat eine Zeit lang gesessen, ist aber vor ein paar Monaten entlassen worden.»
    «Tatsächlich? Und wo soll er sich jetzt befinden?»
    «Genau das möchten wir eben wissen, Mr Cade.»
    «Die Lage wird unklar», sagte Anthony leichthin. «Keine Hoffnung, dass er hier auftaucht? Aber er ist wahrscheinlich nur an Juwelen interessiert und nicht an politischen Geheimnissen.»
    «Das kann man nie sagen», meinte Inspektor Battle. «Soviel uns bekannt ist, könnte er sich bereits hier herumtreiben.»
    «Als zweiter Diener verkleidet? Prächtig! Sie werden ihn an seinen Ohren erkennen und sich mit Ruhm bedecken.»
    «Der kleine Witz macht Ihnen Vergnügen, nicht wahr, Mr Cade? Nebenbei: Was halten Sie von dieser merkwürdigen Geschichte in Staines?»
    «Staines? Was ist denn dort geschehen?»
    «Es stand in allen Samstagzeitungen. Ich dachte, Sie hätten es gelesen. Ein Mann wurde am Straßenrand erschossen aufgefunden, ein Fremder. Die Zeitungen schreiben auch heute wieder darüber.»
    «Ich glaube, ich las etwas in dieser Richtung», meinte Anthony beiläufig. «Anscheinend kein Selbstmord?»
    «Nein. Wir fanden keine Waffe. Bis jetzt konnte der Mann noch nicht identifiziert werden.»
    «Sie scheinen sehr interessiert zu sein an der Sache», sagte Anthony lächelnd. «Keine Verbindung zu Fürst Michaels Tod, oder?»
    Seine Hand war so ruhig wie sein Blick. Bildete er sich nur ein, dass der Inspektor ihn besonders intensiv ansah?
    «Mord scheint sich langsam zu einer Epidemie zu entwickeln», meinte Battle. «Aber wahrscheinlich ist nichts dahinter.»
    Er wandte sich ab und winkte einem Gepäckträger, da der Londoner Zug eben einfuhr. Anthony seufzte erleichtert auf.
    Er schlenderte nachdenklich durch den Park. Absichtlich nahm er den gleichen Weg, den er in der verhängnisvollen Nacht eingeschlagen hatte. Als er in die Nähe des Hauses kam, blickte er zu den Fenstern empor und überlegte, aus welchem damals der Lichtstrahl fiel. War es wirklich das zweite Fenster gewesen?
    Dabei machte er eine Entdeckung. Hinter der Hausecke befand sich ein Vorsprung, in dem ein zurückversetztes Fenster angebracht war. Von einer bestimmten Stelle aus konnte man dieses Fenster als Erstes in dieser Reihe zählen – in diesem Fall war das Fenster über dem Ratssaal das Dritte. Ging man aber etwas weiter nach links, dann verschwand der Vorsprung aus dem Gesichtsfeld, und damit wurde auch das Fenster unsichtbar. Wo hatte er gestanden, als er das Licht erblickte?
    Anthony fand diese Frage sehr schwer zu beantworten. Ein einziger Meter nach links oder nach rechts konnte den ganzen Unterschied ausmachen. Aber eines schien ihm völlig klar: Er konnte sich geirrt und in Wirklichkeit das dritte Fenster gesehen haben.
    Wer bewohnte wohl dieses Zimmer? Anthony war entschlossen, dies so bald als möglich herauszubringen. Und der Zufall half ihm, denn Tredwell befand sich in der Halle und stellte eben die massive Silberkanne aufs Tablett.
    «Ah, Tredwell», begann Anthony, «ich möchte Sie etwas fragen:
    Wer bewohnt das dritte Zimmer im westlichen Flügel? Jenes Zimmer, das sich über dem Ratssaal befindet?»
    «Das dürfte das Zimmer des amerikanischen Herrn sein, Sir – das von Mr Fish.»
    «Wirklich? Danke bestens.»
    Tredwell wollte sich zurückziehen, drehte sich aber nochmals um. Der Wunsch, als Erster eine Neuigkeit mitzuteilen, vermochte selbst den hoheitsvollsten Butler zum normalen Sterblichen zu machen.
    «Haben Sie bereits gehört, Sir, was letzte Nacht geschehen ist?»
    «Keinen

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