Die Memoiren des Grafen
diese Terrasse. Wenigstens wenn man ein Privatgespräch führen möchte.»
«Sie spannen mich auf die Folter», lächelte Virginia.
«Oh, es ist nicht weiter wichtig. Ich möchte nur, dass Sie mir etwas über Mr Cade berichten.»
«Über Mr Cade?» Virginia war bestürzt.
«Ja – wo Sie ihn zum ersten Mal trafen, wie lange Sie ihn kennen und so weiter.»
«Das ist schwieriger zu erklären, als Sie denken», meinte sie schließlich. «Er leistete mir einen großen Dienst –»
«Ehe Sie fortfahren, Mrs Revel, möchte ich Ihnen etwas sagen. Letzte Nacht, als Sie und Mr Eversleigh sich zurückgezogen hatten, erzählte mir Mr Cade alles über die Briefe und über den Mann, der in Ihrem Hause getötet wurde.»
«Nein – wirklich?», hauchte Virginia entsetzt.
«Ja, und er tat gut daran. Es klärt eine Menge von Missverständnissen auf. Nur eines hat er mir nicht gesagt: Wie lange Sie beide sich kennen. Darüber habe ich so meine eigenen Gedanken, und Sie sollen mir sagen, ob ich recht habe. Meiner Ansicht nach begegneten Sie ihm damals in der Pont Street zum ersten Mal. – Aha! Das stimmt also!»
Virginia sagte kein Wort. Zum ersten Mal hatte sie Angst vor diesem vierschrötigen Mann mit dem unbeweglichen Gesicht.
«Hat er Ihnen etwas über sein Leben erzählt?», fuhr der Inspektor fort. «Über die Zeit, ehe er nach Südafrika ging? Über Kanada? Oder früher, den Sudan? Oder über seine Kindheit?»
Virginia konnte zu all diesen Fragen nur den Kopf schütteln. «Und doch hätte er bestimmt viel Interessantes zu berichten. Ein Leben voll Gefahren und Abenteuer drückt dem Gesicht eines Mannes seinen Stempel auf. O ja, wenn er wollte, dann könnte er viel erzählen.»
«Wenn Sie über sein früheres Leben Auskünfte wünschen, warum telegrafieren Sie dann nicht seinem Freund McGrath?»
«Das habe ich natürlich getan. Aber der Mann scheint sich irgendwo im Innern herumzutreiben. Immerhin ist nicht daran zu zweifeln, dass Mr Cade tatsächlich in Bulawayo war zu der Zeit, die er uns angab. Aber ich möchte wissen, was er früher tat, ehe er nach Südafrika ging.»
Battle zog seine Uhr hervor. «Jetzt muss ich zu Lomax fahren, der Wagen wartet sicher bereits.»
Virginia blickte ihm nach. Aber sie erhob sich nicht. Sie hoffte, dass Anthony käme und ihr Gesellschaft leiste. Statt seiner aber erschien Bill Eversleigh.
«Gott sei Dank, dass ich endlich allein mit Ihnen sprechen kann, Virginia.»
«Sprechen Sie aber bitte sehr lieb mit mir, Bill, sonst breche ich in Tränen aus.»
«Hat jemand Sie ausgezankt?»
«Nicht direkt gezankt. Aber mich aufgespießt und vollkommen umgekrempelt. Ich habe das Gefühl, als ob ein Elefant auf mir herumgetrampelt wäre.»
«Doch nicht etwa Battle?»
«Richtig! Er ist wirklich ein schrecklicher Mensch.»
«Kümmern Sie sich doch nicht um Battle.»
«Bill, ich brauche Ihren Rat.»
«Wenn Sie sich doch nur entschließen könnten, meine Frau zu werden! Dann wäre Ihnen bestimmt viel wohler. Sie könnten ruhig und glücklich sein.»
«Hören Sie einmal ernsthaft zu, Bill. Es ist nichts als eine fixe Idee von Ihnen, mir dauernd Liebeserklärungen zu machen. Bedenken Sie mein Alter und mein Witwentum – und verlieben Sie sich in ein junges Mädchen.»
«Aber geliebteste Virginia – Hölle und Teufel, da kommt dieser französische Idiot direkt auf uns zu.»
Es war tatsächlich Lemoine, korrekt wie immer.
«Guten Morgen, Madame. Guten Morgen, Mr Eversleigh. Wie wäre es, wenn wir drei einen kleinen Spaziergang machten?»
«Was halten Sie davon, Bill?», fragte Virginia.
«Meinetwegen», brummte der junge Mann unwillig.
Er zog sich aus dem Gras hoch, und alle drei schlenderten langsam weiter. Virginia fühlte, dass der Franzose eine bestimmte Absicht verfolgte. Er wollte in eine ganz bestimmte Richtung führen. Sie schlenderten nicht einfach so dahin.
Plötzlich blickte er sich um. Sie befanden sich an der Stelle, wo der Fahrweg den Park teilte, ehe er eine scharfe Kurve um eine Baumgruppe herummachte. Lemoine starrte auf ein Gefährt, das sich ihnen vom Hause her näherte.
Virginias Augen folgten den seinen.
«Der Gepäckwagen», meinte sie, «der Isaacsteins Koffer und seinen Diener zum Bahnhof fährt.»
«Tatsächlich?», sagte Lemoine. Er blickte auf seine Uhr und fuhr auf. «Bitte tausendmal um Entschuldigung. Ich habe mich länger aufgehalten, als ich sollte – in so reizender Gesellschaft. Halten Sie es für möglich, dass mich der Wagen mit zum Bahnhof
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