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Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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zurück und lebte mit einer un verheirateten Tante in Pinner, Middlesex. Ich sollte noch erwähnen, daß ihr Mann sie in guten Verhältnissen zurückgelassen hatte, sie besaß ein Kapital von ungefähr viertausendfünfhundert Pfund, und es war von ihm so gut angelegt, daß es einen durchschnittlichen Ertrag von sieben Prozent jährlich abwarf. Als ich sie kennenlernte, lebte sie erst sechs Monate in Pinner. Wir verliebten uns und heirateten nach einigen Wochen.
    Ich bin Hopfenhändler, und da ich ein Einkom
    men von sieben- oder achthundert Pfund habe, ging es uns finanziell sehr gut, und wir konnten eine hübsche Villa in Norbury beziehen, die achtzig Pfund Miete im Jahr kostet. Norbury ist ein recht ländlicher Ort, wenn man bedenkt, daß er so nahe bei London liegt. Es gibt einen Gasthof und zwei Häuser ein Stück oberhalb unserer Villa und ein Landhaus hinter dem Feld uns gegenüber. Dann liegen Häuser erst wieder auf halbem Weg zum Bahnhof. Zuzeiten muß ich geschäftlich in die Stadt, aber sommers habe ich weniger zu tun, dann waren meine Frau und ich in unserem Haus auf dem Lande so glücklich, wie man es sich nur wünschen kann. Ich versichere Ihnen, daß nie ein Schatten über unserer Ehe lag, bis diese verfluchte Geschichte anfing.
      Da gibt es noch etwas, das ich Ihnen erzählen sollte, ehe ich fortfahre. Als wir heirateten, überschrieb meine Frau mir ihr ganzes Vermögen, eigentlich gegen meinen Willen, denn ich sah voraus, wie fatal das sein konnte für den Fall, daß mein Geschäft einmal schlecht gehen sollte. Sie hatte es so haben wollen, und also war es so geregelt worden. Jetzt, vor sechs Wochen, kam sie zu mir.
      ›Jack‹, sagte sie, ›als du mein Geld annahmst, hast du gesagt, ich sollte zu dir kommen, wann immer ich Geld brauche.‹
      ›Gewiß‹, sagte ich, ›es gehört dir.‹
      ›Nun‹, sagte sie, ›ich möchte hundert Pfund.‹
      Ich war ein wenig verdutzt, denn ich hatte geglaubt, sie wollte nur ein neues Kleid oder dergleichen.
      ›Wozu, um alles in der Welt?‹ fragte ich.
      ›Oh‹, entgegnete sie wie im Scherz, ›du hast einmal gesagt, du wirst nur mein Bankier, und Bankiers stellen nie Fragen.‹
      ›Wenn du es wirklich willst, sollst du selbstverständlich das Geld haben‹, sagte ich.
      ›Ja, ich will es wirklich.‹
      ›Und du willst mir nicht sagen, wozu du es brauchst?‹
      ›Eines Tages vielleicht, jetzt nicht, Jack.‹
      So mußte ich mich zufriedengeben, obwohl es das erstemal war, daß ein Geheimnis zwischen uns trat. Ich gab ihr einen Scheck und dachte nicht mehr an die Sache. Das alles hat möglicherweise nichts mit dem zu tun, was sich später ereignete, aber ich wollte es erwähnen.
      Ich habe Ihnen von dem Landhaus nahe unserer Villa erzählt. Es liegt zwar nur von uns zu dort ein Feld dazwischen, aber um hinzukommen, muß man ein Stück die Landstraße hinuntergehen und dann in einen Feldweg einbiegen. Hinter dem Landhaus beginnt ein kleines Gehölz mit Schottischen Tannen, und es bereitete mir immer viel Freude, da spazierenzugehen, denn Bäume sind mir stets etwas Vertrautes. Das Landhaus hatte acht Monate leergestanden, und es war eine Schande, denn es ist ein schöner, zweigeschossiger Bau mit einer altmodischen, von Geißblatt umrankten Vorhalle. Ich habe oft davor angehalten und gedacht, was für eine nette kleine Heimstatt das ist.
      Letzten Montag abend ging ich wieder hinüber, unterwegs begegnete mir ein Lastwagen, und auf dem Rasen neben der Vorhalle sah ich Teppiche und andere Einrichtungsgegenstände liegen. Offensichtlich hatte das Landhaus endlich einen Mieter gefunden. Ich ging vorbei, blieb dann aber stehen, wie ein Müßiggänger wohl tut, schaute zurück und fragte mich, was für Leute das sein mochten, die jetzt so dicht bei uns wohnten. Als ich so schaute, wurde ich plötzlich gewahr, daß mich aus einem der oberen Fenster jemand beobachtete.
      Ich weiß nicht, Mr. Holmes, was es mit dem Gesicht auf sich hatte, aber sein Anblick jagte mir einen Schauder über den Rücken. Ich war etwas weit weg und konnte die Züge nicht genau ausmachen, aber ich spürte, daß von dem Gesicht etwas Unnatürliches und Unmenschliches ausging. Das jedenfalls war mein Eindruck, und ich trat näher zum Haus, um die mich beobachtende Person betrachten zu können. Doch da verschwand das Gesicht, so plötzlich, als hätte die Dunkelheit des Zimmers es verschlungen. Fünf Minuten verharrte ich, überdachte das

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