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Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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sollte.
      Wir drei saßen in Gartenstühlen auf dem Rasen, dösten in der Sonne und genossen die Aussicht auf die Broads, als das Dienstmädchen herauskam und meldete, daß ein Mann an der Tür sei, der Mr. Trevor zu sprechen wünsche.
      ›Wie heißt er?‹ fragte mein Gastgeber.
      ›Er wollte seinen Namen nicht nennen.‹
      ›Was will er denn?‹
      ›Er sagt, Sie kennen ihn, und er will nur ein paar Worte mit Ihnen wechseln.‹
      ›Führen Sie ihn her.‹ Einen Augenblick später erschien ein kleiner, welker, kriecherischer Bursche, der vornübergebeugt watschelte. Er trug ein offenstehendes Jackett mit einem Teerfleck auf dem Ärmel, ein rotschwarz kariertes Hemd, blaue Baumwollhosen und abgetragene schwere Stiefel. Sein Gesicht war schmal und braun und verschlagen und stellte ein dauerndes Lächeln zur Schau, das eine Reihe unregelmäßiger gelber Zähne entblößte. Seine verschrumpelten Hände waren auf eine Art halb geschlossen, die Seeleuten eigen ist. Als er über den Rasen schlurrte, hörte ich, wie Mr. Trevor einen Ton von sich gab, als habe ihn ein Schluckauf befallen, und dann sprang er aus seinem Stuhl und rannte ins Haus. Gleich darauf kehrte er zurück, und ich roch den starken Duft von Kognak, als er an mir vorüberging.
      ›Nun, lieber Mann‹, sagte er, ›was kann ich für Sie tun?‹
      Der Seemann stand da und sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an, immer dieses Lächeln auf dem Gesicht.
      ›Sie kennen mich nicht?‹ fragte er.
      ›Ist das nicht Hudson!‹ sagte Mr. Trevor im Ton der Überraschung.
      ›Es ist Hudson, Sir‹, sagte der Seemann. ›Es ist dreißig Jahre her oder länger, daß ich Sie nicht gesehen habe. Sie sitzen hier in Ihrem Haus, und ich esse noch immer Pökelfleisch aus dem Blechnapf.‹
      ›Du wirst schon noch sehen, daß ich die alten Zeiten nicht vergessen habe‹, rief Mr. Trevor, ging auf den Seemann zu und sagte etwas zu ihm mit leiser Stimme. ›Geh in die Küche‹, fuhr er laut fort, ›und laß dir etwas zu essen und zu trinken geben. Und ich werde auch eine Stellung für dich finden.‹
      ›Vielen Dank, Sir‹, sagte der Seemann und legte grüßend die Hand an die Schläfe. ›Ich hab nach zwei Jahren von einem Achtknotendampfer abgemustert und muß mal ausspannen. Und da hab ich mir gedacht, das kann ich entweder bei Mr. Beddoes oder bei Ihnen.‹
      ›Ah!‹ rief Mr. Trevor, ›du weißt, wo Mr. Beddoes ist?‹
      ›Aber, Sir, ich weiß, wo alle meine alten Freunde sind‹, sagte der Kerl mit finsterem Lächeln und schlurrte hinter der Magd her in die Küche. Mr. Trevor murmelte irgend etwas der Art, daß er und der Mann gemeinsam auf einem Schiff gefahren wären, als er von der Goldgräberei zurückgekehrt sei, ging dann ins Haus und ließ uns auf dem Rasen zurück. Eine Stunde später, als wir das Haus betraten, fanden wir ihn stockbetrunken auf dem Sofa im Salon liegen. Der ganze Zwischenfall hinterließ bei mir einen schlechten Eindruck, und es tat mir nicht leid, am nächsten Tag Donnithorpe hinter mir lassen zu können; denn ich spürte, daß meine Gegenwart für meinen Freund eine stete Quelle der Verlegenheit sein mußte.
      Das alles geschah während des ersten Monats der großen Ferien. Ich fuhr in meine Londoner Wohnung zurück und verbrachte die folgenden Wochen mit einigen chemischen Experimenten. Eines Tages, als der Herbst schon weit fortgeschritten war und die Ferien zu Ende gingen, erhielt ich von meinem Freund ein Telegramm, in dem er mich bat, nach Donnithorpe zurückzukehren, da er meinen Rat und meine Hilfe dringend brauche. Natürlich ließ ich alles stehen und liegen und reiste noch einmal nordwärts.
      Er erwartete mich am Bahnhof mit einem Dogcart, und ich bemerkte auf den ersten Blick, daß die beiden vergangenen Monate ihn arg mitgenommen hatten.
      Er sah dünn und abgehärmt aus und hatte seine laute, fröhliche Art, für die er bekannt war, eingebüßt.
      ›Der Chef liegt im Sterben‹, war das erste, was er sagte.
      ›Unmöglich!‹ rief ich. ›Was fehlt ihm denn?‹
      ›Apoplexie. Nervenzusammenbruch. Es steht den ganzen Tag schon mit ihm auf der Kippe. Ich zweifle, ob wir ihn noch lebend antreffen.‹
      Ich war, wie Sie sich wohl vorstellen können, Watson, entsetzt über diese Nachricht.
      ›Wodurch ist das ausgelöst worden?‹ fragte ich.
      ›Eben darum geht es ja. Steig ein, unterwegs können wir darüber sprechen. Erinnerst du dich an den

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