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Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Sklave; schließlich gelang mir die Flucht. Aber statt nach Süden, mußte ich mich nach Norden wenden und stieß so zu den Afghanen. Dort wanderte ich manches Jahr umher, bis ich in den Pandschab kam, wo ich meist unter Eingeborenen lebte und mir mein Brot mit den Zaubertricks verdiente, die ich während meiner Gefangenschaft gelernt hatte. Was für einen Zweck hatte es für mich, einen Krüppel, nach England zurückzukehren oder mich wieder bei meinen alten Kameraden zu zeigen? Sogar mein Rachegelüst konnte mich nicht dazu bringen. Lieber wollte ich, daß Nancy und die alten Kumpel von Henry Wood dachten, er sei aufrecht gestorben, als daß sie mich lebend sahen, wie ich mich an einem Stock schleppe wie ein Schimpanse. Sie zweifelten nicht, daß ich tot war, und soweit es an mir lag, sollten sie auch nie daran zweifeln. Ich erfuhr, Barclay habe Nancy geheiratet und mache eine steile Karriere im Regiment, doch auch das brachte mich nicht zum Sprechen.
      Aber wenn man alt wird, bekommt man Heimweh. Jahrelang hatte ich von den grünen Fluren und Hecken Englands geträumt. Endlich beschloß ich, vorm Tod dies alles noch einmal zu sehen. Ich sparte für die Überfahrt und kam dann hierher, wo die Soldaten sind, denn ich kenne ihre Art zu leben und wie man sie unterhalten und so genug verdienen kann, um zu existieren.«
      »Ihre Geschichte ist sehr interessant«, sagte Sherlock Holmes. »Ich habe schon von Ihrem Zusammentreffen mit Mrs. Barclay gehört und davon, daß Sie einander wiedererkannten. Wie ich vermute, folgten Sie ihr also zu ihrem Haus und beobachteten durchs Fenster den Streit zwischen ihr und ihrem Mann, in dessen Verlauf sie ihm zweifellos sein Verhalten Ihnen gegenüber ins Gesicht schleuderte. Da übermannte Sie Ihr Gefühl, und Sie rannten über den Rasen und stürzten zwischen die beiden.«
      »So war es, und als er mich sah, blickte er mich an, wie ich noch keinen Menschen habe blicken sehen! Und dann fiel er hin und schlug mit dem Kopf gegen das Gitter. Aber er war schon tot, ehe er fiel. Ich konnte ihm den Tod vom Gesicht ablesen, so klar, wie ich ein Buch am Kaminfeuer le sen kann. Mein bloßer Anblick traf sein schuldiges Herz wie eine Kugel.«
      »Und dann?«
      »Dann fiel Nancy in Ohnmacht, und ich nahm ihr den Zimmerschlüssel aus der Hand, um die Tür aufzuschließen und Hilfe herbeizuholen. Doch plötzlich schien es mir besser, gar nichts zu tun und mich davonzumachen, denn die Sache sah möglicherweise düster für mich aus, und auf jeden Fall würde mein Geheimnis gelüftet, wenn man mich faßte. In der Eile steckte ich den Schlüssel in die Tasche, denn ich mußte auch noch Teddy einfangen, der den Vorhang hinaufgeklettert war. Als ich ihn dann wieder in seinem Kasten hatte, verschwand ich, so schnell, wie ich laufen konnte.«
      »Wer ist Teddy?« fragte Holmes.
      Der Mann beugte sich vor und öffnete den Verschluß einer Art Hundehütte, die in der Ecke stand. Sofort schlüpfte ein schönes rötlichbraunes Geschöpf heraus, schlank und geschmeidig, mit Beinchen wie ein Hermelin, einer langen schmalen Nase und einem Paar der nettesten roten Augen, die ich je im Kopf eines Tieres gesehen habe.
      »Ein Mungo!« rief ich.
      »Nun, einige nennen das Tier so, andere nennen es Ichneumon«, sagte der Mann. »Ich nenne es Schlangenfänger, und Teddy ist wirklich schnell, wenn er auf Cobras geht. Ich besitze eine, der die Giftzähne gezogen sind, und Teddy fängt sie jeden Abend, um die Leute in der Kanti ne zu unterhalten. Gibt es noch etwas zu besprechen, Sir?«
      »Nun, wir werden noch einmal auf Sie zurückkommen müssen, sollte Mrs. Barclay in ernsthafte Schwierigkeiten geraten.«
      »In diesem Fall würde ich mich selbstverständlich zu erkennen geben.«
      »Wenn nicht, gäbe es wohl keinen Grund, einen Toten in einen Skandal hineinzuziehen, so schäbig er auch gehandelt hat. Sie haben wenigstens die Befriedigung, erfahren zu haben, daß er von seinem Gewissen dreißig Jahre lang wegen seiner bösen Tat gepeinigt wurde. Ah, da drüben auf der anderen Straßenseite geht Major Murphy. Leben Sie wohl; Wood. Ich möchte von ihm erfahren, ob sich seit gestern etwas ereignet hat.«
      Wir holten den Major ein, noch ehe er um die nächste Ecke biegen konnte.
      »Ah, Holmes«, sagte er, »ich nehme an, Sie haben schon gehört, daß die ganze Aufregung umsonst war.«
      »Wieso?«
      »Die amtliche Voruntersuchung ist gerade zu Ende gegangen. Das

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