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Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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medizinische Beweisverfahren hat schlüssig ergeben, daß der Tod durch einen Schlaganfall eingetreten ist. Sie sehen: Es war nach allem ein ganz einfacher Fall.«
      »Bemerkenswert oberflächlich«, sagte Holmes lächelnd. »Kommen Sie, Watson, ich glaube nicht, daß wir in Aldershot länger gefragt sind.«
      »Da wäre noch etwas«, sagte ich, als wir zum Bahnhof gingen. »Wenn der Ehemann James hieß und der andere Henry, was hat denn der Name David in der Sache zu tun?«
      »Dieser Name, mein lieber Watson, hätte mir die ganze Geschichte schon entschleiern können, wenn ich der ideale Schlußfolgerer wäre, als den Sie mich zu beschreiben belieben. Dieser Name wurde offenbar als Schmähung gebraucht.«
      »Als Schmähung?«
      »Ja, König David kam dann und wann ein Stück vom Weg ab, einmal verirrte er sich in dieselbe Richtung wie James Barclay. Erinnern Sie sich an die kleine Affäre mit Uria und Bathseba? Ich fürchte, meine Bibelkenntnis ist ein bißchen eingerostet, aber Sie finden die Geschichte im ersten oder zweiten Buch Samuel.«

Der Dauerpatient

    Wenn ich in den einigermaßen unzusammenhängenden Memoiren stöbere, mit denen ich versucht habe, einige geistige Besonderheiten meines Freundes Mr. Sherlock Holmes zu illustrieren, überrascht mich immer wieder die Schwierigkeit der Auswahl von Beispielen, die meinem Zweck entsprechen. Bei den Fällen nämlich, in denen Holmes in einer tour de force analytischen Schlußfolgens den Wert seiner besonderen Untersuchungsmethoden vorführt, sind die Umstände oft so unbedeutend oder alltäglich, daß es nicht gerechtfertigt wäre, sie vor der Öffentlichkeit auszubreiten. Auf der anderen Seite ist es häufig geschehen, daß er Untersuchungen durchführte, denen äußerst bemerkenswerte und dramatische Umstände eigneten, während der Anteil, den er an der Aufdeckung der Ursachen hatte, weniger auffiel, als ich, sein Biograph, wünschen würde. Die geringfügige Sache, über die ich unter dem Titel ›Späte Rache‹ berichtet habe, oder die später geschriebene Geschichte, die sich mit dem Untergang der ›Gloria Scott‹ befaßt, mögen als Beispiele für diese Scylla und Charybdis dienen, die derjenige drohend vor sich hat, der Sherlock Holmes’ Leben und Wirken beschreibt. Möglicherweise stellt die Angelegenheit, die ich hier wiedergeben will, die Rolle meines Freundes nicht genügend heraus; dennoch erscheinen die Umstände so wesentlich, daß ich es nicht übers Herz bringe, sie völlig aus der Serie fortzulassen.
      Es war an einem trüben, regnerischen Oktobertag. »Ungesundes Wetter, Watson«, sagte mein Freund. »Aber der Abend hat einen kleinen Wind aufgebracht. Was würden Sie von einem Bummel durch London halten?«
      Ich war unseres kleinen Wohnzimmers überdrüssig und nur zu gern einverstanden. Drei Stunden bummelten wir umher und beobachteten das pulsierende Leben auf der Fleet Street und in der Strand. Holmes’ treffende Art zu erzählen, seine scharfe Beobachtung der Einzelheiten und seine Gabe, scharfsinnig zu schlußfolgern, amüsierten und fesselten mich.
      Es war zehn Uhr, als wir wieder in der Baker Street eintrafen. Vor unserem Haus wartete ein Brougham.
      »Hm! Ein Arzt – ein praktischer Arzt, nehme ich an«, sagte Holmes. »Noch nicht lange im Beruf, hat aber schon ziemlich viel zu tun. Will sich bei uns Rat holen, scheint mir. Glücklicherweise sind wir zurück.«
      Ich war mit Holmes’ Methoden ausreichend vertraut, um seiner Beweisführung folgen zu können und zu bemerken, daß die Art und der Zustand der medizinischen Instrumente in dem Weidenkorb, der im erleuchteten Innern des Brougham stand, ihm das Material für die schnelle Schlußfolgerung geboten hatte. Das Licht hinter unseren Fenstern zeigte an, daß der späte Besuch wirklich uns galt. Neugierig darauf, was einen frater medico zu dieser Stunde zu uns getrieben haben mochte, folgte ich Holmes in unser Arbeitszimmer.
      Als wir eintraten, erhob sich ein blasser, schmalgesichtiger Mann mit sandfarbenem Bakkenbart. Er schien mir nicht älter als drei- oder vierunddreißig Jahre, aber sein abgehärmtes Aussehen und sein ungesunder Teint sprachen von einem Leben, das die Kraft unterminiert und die Jugend geraubt hatte. Er war nervös und scheu, wie es sensible Menschen oft sind, und seine dünnen weißen Hände, die auf dem Kaminsims ruhten, als er stand, deuteten eher auf einen Künstler als auf einen Chirurgen. Er trug einen

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