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Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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er sich uns zuwandte, fiel mir am Widerschein des Lichts auf, daß er eine Brille trug.
      ›Ist das Mr. Melas, Harold?‹ fragte er.
      ›Ja.‹
      ›Gut gemacht! Gut gemacht! Hoffentlich sind Sie nicht böse, Mr. Melas, aber wir kommen ohne Sie nicht aus. Wenn Sie ehrlich mit uns zusammenarbeiten, soll es Ihr Schade nicht sein. Aber Gott stehe Ihnen bei, wenn Sie uns austricksen wollen.‹
      Er sprach stoßweise und nervös und mischte einige kurze Lacher in seine Rede, aber irgendwie flößte er mir mehr Furcht ein als der andere.
      ›Was wollen Sie von mir?‹ fragte ich.
      ›Sie sollen nur einem griechischen Gentleman, der bei uns zu Besuch weilt, einige Fragen stellen und uns die Antworten übermitteln. Aber sagen Sie nicht mehr, als man Ihnen aufträgt – wieder lachte er nervös –, ›oder Sie wären besser nicht geboren.‹
      Während er sprach, öffnete er eine Tür und wies den Weg in ein anscheinend reich möbliertes Zimmer – doch wieder brannte nur eine einzelne Lampe mit halber Kraft. Das Zimmer war sicherlich groß, und als ich es durchquerte, merkte ich an der Weichheit des Teppichs, wie luxuriös es eingerichtet sein mußte. Schwach zeichneten sich samtbezogene Sessel ab, ein hoher Kaminsims aus weißem Marmor und an einer Wand etwas, das wie eine japanische Rüstung aussah. Unter der Lampe stand ein Stuhl, und der ältere Mann wies mich mit einer Handbewegung an, darauf Platz zu nehmen. Der jüngere hatte uns verlassen, erschien aber plötzlich wieder durch eine andere Tür; er führte einen Herrn, der in eine Art von lose fallendem Hausmantel gekleidet war und sich langsam auf uns zu bewegte. Als er in den Kreis gedämpften Lichts trat und ich ihn deutlicher wahrnahm, erschrak ich bis ins Herz über sein Aussehen. Er war totenbleich und furchtbar abgemagert und hatte die vorgewölbten, glänzenden Augen eines Mannes, dessen geistige Kräfte die des Körpers übersteigen. Aber was mich mehr betroffen machte als die Anzeichen von körperlicher Schwäche war, daß sein Gesicht kreuz und quer mit Pflaster beklebt war und daß ihm ein breiter Streifen den Mund verschloß.
      ›Hast du die Schiefertafel, Harold?‹ rief der ältere Mann, als das seltsame Geschöpf auf einen Stuhl eher sank, als daß es sich setzte. ›Sind seine Hände frei? Dann gib ihm den Griffel. Sie werden Fragen stellen, Mr. Melas, und er wird die Antworten aufschreiben. Fragen Sie ihn zuerst, ob er bereit ist, die Papiere zu unterzeichnen.‹
    Die Augen des Mannes sprühten Feuer.
    ›Nie‹, schrieb er in Griechisch auf die Tafel.
      ›Unter keinen Bedingungen?‹ fragte ich auf Anweisung unseres Tyrannen.
      ›Nur wenn sie in meiner Gegenwart von einem griechischen Priester, den ich kenne, verheiratet wird.‹
      Der Mann lachte boshaft.
      ›Sie wissen, was Sie sonst erwartet?‹
      ›Ich frage nicht nach meinem Schicksal.‹
      Das sind Beispiele von den Fragen und den Antworten unserer eigenartigen halb gesprochenen, halb geschriebenen Konversation. Immer wieder mußte ich ihn fragen, ob er nachgeben und das Dokument unterzeichnen wolle. Und immer wieder bekam ich dieselbe entrüstete Antwort. Dann hatte ich einen glücklichen Einfall. Ich ging dazu über, jeder Frage einen eigenen kleinen Satz anzuhängen – erst harmlose, um herauszubekommen, ob einer der beiden etwas verstand, und dann, als ich keine Anzeichen dafür wahrnahm, ging ich zu einem gefährlicheren Spiel über. Unser Gespräch verlief danach ungefähr so:
      ›Mit Ihrer Widersetzlichkeit erreichen Sie nichts. Wer sind Sie? ‹
      ›Das ist mir gleich. Ich bin fremd in London. ‹
      ›Sie haben sich Ihr Schicksal selber zuzuschreiben. Seit wann sind Sie hier? ‹
      ›Das kümmert mich nicht. Seit drei Wochen. ‹
      ›Das Vermögen können Sie nie behalten. Was fehlt Ihnen? ‹
      ›Ich verhandele nicht mit Schurken. Sie lassen mich hungern. ‹
      ›Sie sind frei, wenn Sie unterzeichnen. In wel chem Haus befinden wir uns? ‹
      ›Ich unterzeichne nie. Ich weiß es nicht. ‹
      ›Ihr erweisen Sie damit keinen Dienst. Wie heißen Sie? ‹
      ›Das soll sie mir sagen. Kratides. ‹
      ›Sie werden sie sehen, wenn Sie unterzeichnet haben. Woher kommen Sie? ‹
      ›Dann werde ich sie nie sehen. Aus Athen. ‹
      Noch fünf Minuten, Mr. Holmes, und ich hätte vor ihrer Nase die ganze Geschichte herausbekommen. Schon mit der nächsten Frage hätte ich die Angelegenheit klären

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