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Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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auch keinen, der alle Beteiligten so tief beeindruckt hätte. Mir ist noch fast wörtlich das Gespräch in Erinnerung, in dem Holmes Monsieur Dubuque von der Pariser Polizei und Fritz von Waldbaum, dem bekannten Spezialisten aus Danzig, die wahren Zusammenhänge der Tatsachen vorführte, nachdem beide ihre Energie auf Dinge verschwendet hatten, die sich dann als Randerscheinungen herausstellten. Jedoch wird das neue Jahrhundert angehen müssen, ehe die Geschichte erzählt werden kann. So gehe ich denn einstweilen zu dem zweiten Fall auf meiner Liste über, der sich zu einem bestimmten Zeitpunkt ebenfalls so ausnahm, als besitze er nationale Bedeutung, und den verschiedene Umstände zu etwas Einmaligem machten.
      Während meiner Schulzeit war ich mit einem Burschen namens Percy Phelps eng befreundet; er war fast gleichaltrig, dennoch mir zwei Klassen voraus. Mit seinen glänzenden Anlagen gelang es ihm, alle Preise, die die Schule zu vergeben hatte, zu gewinnen, und er krönte seinen Beutezug, indem er sich ein Stipendium erkämpfte, das ihm erlaubte, seine glänzende Karriere in Cambridge fortzusetzen. Ich erinnere mich, daß der Junge über außerordentlich gute Beziehungen verfügte, und sogar wir Kleineren wußten, daß der Bruder seiner Mutter Lord Holdhurst war, der große konservative Politiker. Diese noble Verwandtschaft half ihm allerdings auf der Schule wenig; im Gegenteil, wir fanden es reizvoll, ihn über den Sportplatz zu jagen und ihm mit dem Kricketschläger die Schienbeine zu bearbeiten. Das änderte sich aber, als er in die Welt hinaustrat. Ich hörte, daß seine Fähigkeiten und die Beziehungen, über die er verfügte, ihm eine glänzende Stellung im Außenministerium eingetragen hatten. Danach schwand er völlig aus meinem Bewußtsein, bis mich der folgende Brief wieder an seine Existenz erinnerte:
    Briarbrae, Woking
    Mein lieber Watson,
    zweifellos erinnerst Du Dich an Kaulquappe Phelps, der in der fünften Klasse war, als Du die dritte besuchtest. Vielleicht hast Du sogar gehört, daß ich durch den Einfluß meines Onkels eine gute Anstellung im Außenministerium erhielt und daß man mir Vertrauen und Ehrungen entgegenbrachte. Aber dann gab es plötzlich ein schreckliches Unglück, und meine Karriere platzte.
      Es hat keinen Zweck, die Einzelheiten dieses furchtbaren Ereignisses hier auszubreiten. Wenn Du auf meine Bitte eingehst, werde ich sie Dir wahrscheinlich mitteilen müssen. Erst kürzlich bin ich von einem neunwöchigen Nervenfieber genesen und fühle mich noch äußerst schwach. Glaubst Du, daß Du Deinen Freund, Mr. Holmes, bewegen könntest, mich zu besuchen? Ich möchte gern seine Meinung zu dem Fall einholen, auch wenn mir die Vorgesetzten versichern, es ließe sich nichts mehr unternehmen. Versuch bitte, ihn zu einem Besuch bei mir zu überreden, und so bald als möglich. Jede Minute scheint eine Stunde zu dauern, seit ich in dieser schlimmen Ungewißheit lebe. Versichere ihm, daß ich mich nicht früher schon an ihn um Rat wandte, liege nicht daran, weil ich seine Fähigkeiten nicht schätzte; ich verlor einfach den Kopf, als der Schlag auf mich niederfiel. Jetzt bin ich wieder ganz bei Sinnen, wenn ich auch nicht allzuoft an die Sache zu denken wage, aus Furcht, ich könnte einen Rückfall erleiden. Ich fühle mich noch so schwach, daß ich, wie Du siehst, den Brief diktieren muß. Versuche es, ihn hierher zu bringen.
    Dein alter Schulkamerad
    Percy Phelps

    Es lag etwas Rührendes in dem Brief, etwas Mitleiderregendes in der Art, wie er wiederholt an mich appellierte, Holmes für ihn zu interessieren. Ich war so bewegt, daß ich es versucht hätte, wäre es auch eine schwierige Sache gewesen. Aber natürlich wußte ich sehr gut, daß Holmes seine Kunst dermaßen liebte, daß er immer bereit war, seine Hilfe zu gewähren, wenn ein Klient sie annehmen wollte. Meine Frau stimmte mit mir darin überein, daß man ihm die Bitte unverzüglich vortragen sollte, und so befand ich mich schon eine Stunde nach dem Frühstück wieder einmal in der alten Wohnung in der Baker Street.
      Mein Freund saß im Morgenmantel an einem Tischchen und führte konzentriert eine chemische Untersuchung durch. Über der bläulichen Flamme eines Bunsenbrenners kochte etwas wild in einer großen, mehrfach gebogenen Retorte, und die destillierten Tropfen fielen in ein Zweilitergefäß. Er blickte kaum auf, als ich eintrat, und ich setzte mich in einen Lehnstuhl und wartete, da ich sah, daß seine

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