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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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bin. Und überhaupt – wie sollte ich ganz allein drei Leute töten? Das ist doch lächerlich. Aber die Polizei und die Medien schieben es mir in die Schuhe, so wie immer.« Sein schmales Gesicht war rot angelaufen. »Ich bin eben ein einfaches Opfer.«
    »Genau wie bei dieser Familie vor acht Jahren«, sagte sie schüchtern, um ihn zu beruhigen. Nichts entschärft eine solche Situation schneller, als dem Mann beizupflichten.
    Daniel hatte ihr erzählt, dass er und sein Freund zum Haus der Croytons gegangen waren, um dem Computergenie eine Geschäftsidee zu präsentieren. Aber als sie dort eintrafen, schien sein Freund plötzlich etwas ganz anderes vorzuhaben – er wollte das Ehepaar ausrauben. Er schlug Daniel nieder und fing an, die Familie zu ermorden. Daniel kam wieder zu sich und versuchte, ihn aufzuhalten. Am Ende musste er seinen Freund in Notwehr töten.
    »Man hat es mir angehängt – du weißt ja, wie sehr wir es hassen , wenn der Täter ums Leben kommt. Jemand geht in eine Schule und erschießt erst die Kinder und dann sich selbst. Wir wollen, dass der Mörder am Leben bleibt. Damit jemand da ist, dem wir die Schuld geben können. Das liegt in der Natur des Menschen.«
    Er hat recht, dachte Jennie. Sie war erleichtert, aber auch entsetzt, dass sie ihn aus der Fassung gebracht hatte. »Es tut mir leid, Schatz. Ich hätte es gar nicht erst erwähnen sollen.«
    Sie rechnete damit, dass er ihr den Mund verbieten oder vielleicht sogar aus dem Wagen steigen und weggehen würde. Doch zu ihrer Verblüffung lächelte er und strich ihr über das Haar. »Du kannst mich alles fragen.«
    Sie umarmte ihn erneut. Spürte wieder Tränen auf den Wangen und wischte sie weg. Die Schminke war zerlaufen. Jennie wich zurück und starrte auf ihre Finger. O nein. Sieh sich das einer an! Sie wollte doch hübsch für ihn sein.
    Die Ängste kamen zurück und nagten an ihr.
    Ach, Jennie, so willst du dein Haar tragen? Bist du dir sicher? ... Wie wäre es mit einem Pony? Der würde deine hohe Stirn verbergen.
    Was würde sein, wenn sie nicht seinen Erwartungen entsprach?
    Daniel Pell nahm ihr Gesicht in seine starken Hände. »Liebling, du bist die schönste Frau der Welt. Du brauchst gar kein Make-up.«
    Als könne er ihre Gedanken lesen.
    Sie weinte schon wieder. »Ich habe Angst, du wirst mich nicht mögen.«
    »Dich nicht mögen ? Baby, ich liebe dich. Weißt du nicht mehr, was ich dir geschrieben habe?«
    Jennie konnte sich an jedes einzelne Wort seiner E-Mails erinnern. Sie sah ihm in die Augen. »Oh, du bist ein so wunderbarer Mensch.« Sie drückte ihre Lippen auf seinen Mund. Obwohl sie in Jennies Fantasie mindestens ein Mal täglich miteinander schliefen, war dies ihr erster Kuss. Sie spürte seine Zähne an ihren Lippen, seine Zunge. Die leidenschaftliche Umarmung schien ewig zu dauern, vielleicht auch nur eine Sekunde. Jennie hatte jedes Zeitgefühl verloren. Sie wollte ihn in sich haben, tief in sich, während seine Brust immer wieder gegen ihre stieß.
    Die Liebe sollte bei den Seelen anfangen, aber dann müssen verdammt schnell die Körper folgen.
    Ihre Hand glitt über seinen nackten muskulösen Oberschenkel.
    Er lachte auf. »Weißt du was, mein Liebling? Wir sollten von hier verschwinden.«
    »Klar, was immer du willst.«
    »Hast du das Telefon, auf dem ich dich angerufen habe?«, fragte er. Daniel hatte ihr aufgetragen, drei Prepaid-Mobiltelefone zu kaufen und bar zu bezahlen. Sie gab ihm das Gerät, dessen Nummer er kurz nach der Flucht gewählt hatte. Er öffnete es, nahm Akku und SIM-Karte heraus, warf beides in einen Mülleimer und kehrte zum Wagen zurück.
    »Und die anderen?«
    Sie zeigte ihm die beiden Telefone. Er gab eines ihr und steckte das andere ein.
    »Wir sollten...«, setzte er an, als auf einmal in der Nähe eine Sirene ertönte. Sie erstarrten.
    Engelsgesänge, dachte Jennie und sagte ihr glückbringendes Mantra in Gedanken ein Dutzend Mal auf.
    Die Sirene entfernte sich.
    Sie sah ihn an. »Die könnten zurückkommen«, sagte sie und nickte in Richtung der Sirene.
    Daniel lächelte. »Das kümmert mich nicht. Ich möchte nur mit dir allein sein.«
    Jennie erschauderte vor lauter Glück. Es tat fast schon weh.
     
    Die CBI-Dienststelle für den Westen von Zentralkalifornien, Arbeitsplatz von einigen Dutzend Beamten, war ein modernes zweigeschossiges Gebäude unweit des Highway 68 und unterschied sich nicht von den umliegenden Bauten – zweckmäßigen Quadern aus Glas und Stein, in denen

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