Die Menschenleserin
ließ es sich buchstabieren.
»Dann hat er nach ›Helter Skelter‹ gesucht.«
O’Neil und Dance sahen sich besorgt an. Das war der Titel eines Beatles-Songs, von dem Charles Manson besessen gewesen war. Er hatte mit dem Begriff den in Amerika angeblich bevorstehenden Rassenkrieg bezeichnet. Es war außerdem der Titel eines preisgekrönten Buches über den Kultführer Manson und dessen Morde, verfasst von dem Mann, der ihn angeklagt hatte.
»Dann ist er auf Visual-Earth.com gewechselt. Wie Google Earth. Man kann sich dort Satellitenbilder von praktisch jedem Ort der Welt ansehen.«
Prima, dachte Dance. Aber sie irrte sich. Es gab keine Möglichkeit, die von ihm betrachteten Orte nachzuvollziehen.
»Es könnten Highways in Kalifornien gewesen sein, aber auch Paris, Key West oder Moskau.«
»Und was ist ›Nimue‹?«
»Keine Ahnung.«
»Steht es für irgendetwas in Capitola?«
»Nein.«
»Heißt eine der Angestellten dort Alison?«
»Nein«, antwortete die körperlose Stimme des Technikers. »Doch ich wollte noch sagen, dass ich vielleicht herausfinden kann, welche Seiten er besucht hat. Das hängt davon ab, ob er die Daten bloß gelöscht oder aber neu überschrieben hat. Im letzteren Fall besteht keine Chance. Falls er die Daten nur gelöscht hat, finde ich sie womöglich noch irgendwo in den freien Sektoren der Festplatte.«
»Dafür wären wir Ihnen sehr dankbar«, sagte Dance.
»Ich mache mich gleich an die Arbeit.«
Sie bedankte sich und unterbrach die Verbindung.
»TJ, überprüf ›Nimue‹.«
Seine Finger huschten über die Tastatur. Die Ergebnisse kamen auf den Schirm, und TJ fing an zu scrollen. »Mehrere hunderttausend Treffer«, sagte er nach einigen Minuten. »Wie es aussieht, benutzen unzählige Leute diesen Begriff im Internet als Pseudonym.«
»Jemand, den er im Netz kennengelernt hat«, sagte O’Neil. »Oder ein Spitzname. Oder ein echter Nachname.«
TJ wandte den Blick nicht vom Monitor ab und fuhr fort. »Es ist außerdem ein Warenname: Kosmetik, Elektrogeräte – hm, Sexartikel... so was hab ich ja noch nie gesehen.«
»TJ«, schimpfte Dance.
»Verzeihung.« Er scrollte weiter. »Interessant. Die meisten Verweise beziehen sich auf König Artus.«
»Wie in Camelot ?«
»Schätze schon.« Er überflog einige Zeilen. »Nimue war die Herrin des Sees. Dieser Zauberer, Merlin, hat sich in sie verliebt – er war ungefähr hundert und sie war sechzehn. Damit schaffst du es garantiert in eine Nachmittagstalkshow.« Er las weiter. »Merlin hat eine Zauberin aus ihr gemacht. Oh, und sie hat König Artus dieses magische Schwert gegeben.«
»Excalibur«, sagte O’Neil.
»Was?«, fragte TJ.
»Das Schwert. Excalibur. Haben Sie denn noch nie was davon gehört?«
»Nein, ich hab auf der Uni keinen Kurs in Langweiligem Altem Zeug belegt.«
»Ich vermute, dass er versucht hat, jemanden zu finden«, sagte Dance. »Gleiche ›Nimue‹ mit ›Pell‹ ab, dann mit ›Alison‹, ›Kalifornien‹, ›Carmel‹, ›Croyton‹... noch was?«
»Die Frauen«, schlug O’Neil vor. »Sheffield, McCoy, Whitfield.«
»Gut.«
Nach mehreren Minuten eifrigen Tastengeklappers sah TJ zu Dance herüber. »Tut mir leid, Boss. Nichts.«
»Such die Begriffe im VICAP und den anderen großen kriminologischen Datenbanken.«
»Mach ich.«
Dance starrte die Worte an, die sie sich aufgeschrieben hatte. Was steckte dahinter? Warum hatte er es riskiert, ins Internet zu gehen, um sie zu überprüfen?
Helter Skelter, Nimue, Alison ...
Und was hatte er sich bei Visual-Earth angesehen? Einen Ort, an den er fliehen oder in den er einbrechen wollte?
»Was sagt die Spurensicherung?«, fragte sie O’Neil.
Der Detective zog seine Notizen zu Rate. »Nichts, das uns auf Anhieb weiterhilft. Fast alles ist verbrannt oder geschmolzen. Das Benzin war in Plastikmilchflaschen in einem billigen Koffer mit Rollen. Den gibt’s überall zu kaufen – bei Wal-Mart, Target und anderen großen Supermärkten. Der feuerfeste Beutel und der Anzug stammen von einer Firma namens Protection Equipment in New Jersey. Das Zeug ist auf der ganzen Welt erhältlich, wird aber vor allem in Südkalifornien verkauft.«
»Wegen der vielen Flächenbrände?«
»Wegen der Filme. An Stuntmen. Es gibt ein Dutzend Fachgeschäfte, aber das nützt uns nur wenig. Die Artikel haben keine Seriennummern, und weder von dem Beutel noch von dem Anzug konnten Fingerabdrücke genommen werden. Die Additive im Benzin verraten uns, dass es bei BP gekauft
Weitere Kostenlose Bücher