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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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und Gefühl auf die Leute einzulassen und nah bei ihnen zu bleiben, damit sie den Wahrheiten auf die Spur kam, die jene Leute nicht preisgeben wollten. Die Verhöre waren in der Regel schwierig und bisweilen sehr belastend, denn die Erinnerung an die Aussagen und Taten, an die oftmals schrecklichen Verbrechen der Verdächtigen ließ sie nie ganz los.
    Wenn Alan Stivells keltische Harfenmelodien oder Natty Bos und Beny Billys temperamentvoller Cubano-Ska oder Lightnin’ Hopkins’ rohe, kraftvolle Akkorde in Kathryns Ohren und Gedanken hallten, übertönten sie meistens die entsetzlichen Gespräche mit Vergewaltigern, Mördern und Terroristen.
    Nun verlor Dance sich in den verrauschten Tönen der Musik, die vor einem halben Jahrhundert entstanden war.
    »Roll, Jordan, roll...«
    Fünf Minuten später bog sie im Nordteil von Monterey unweit der Munras Avenue in ein Büroviertel ein und stieg aus. Sie betrat das ebenerdige Parkhaus, in dem der rote Honda Civic des Worldwide-Express-Fahrers stand. Der Kofferraum war offen, das Blech mit Blut beschmiert. O’Neil und ein Beamter der Stadtpolizei standen daneben.
    Es war noch jemand bei ihnen.
    Billy Gilmore, der Fahrer, von dem Dance mit Sicherheit angenommen hatte, dass er Pells nächstes Opfer geworden war. Zu ihrer Verblüffung hatte man ihn quicklebendig vorgefunden.
    Der stämmige Mann hatte ein paar blaue Flecke und trug einen Verband um die Stirn – unter dem die Wunde lag, aus der offenbar das Blut stammte -, aber wie sich herausstellte, hatte nicht Pell ihm die Verletzungen zugefügt. Bei dem Versuch, es sich im Kofferraum etwas bequemer zu machen, hatte Billy sich versehentlich am Kopf geschnitten. »Ich habe nicht versucht, mich zu befreien. Dazu hatte ich zu viel Angst. Aber jemand muss mich wohl gehört haben und hat die Polizei verständigt. Pell hatte mir befohlen, drei Stunden da drinnen auszuharren. Andernfalls würde er meine Frau und meine Kinder töten.«
    »Es geht ihnen gut«, sagte O’Neil zu Dance. »Wir haben sie in Schutzhaft genommen.« Er fasste Billys Aussage zusammen. Pell hatte erst den Lieferwagen, dann den Honda benutzt. Und er war definitiv bewaffnet.
    »Wie war er angezogen?«
    »Kurze Hose, dunkler Anorak, Baseballmütze, glaube ich. Keine Ahnung. Ich konnte nicht mehr klar denken.«
    O’Neil gab die neue Personenbeschreibung an die Straßensperren und Streifen weiter.
    Pell hatte Billy nicht zu erkennen gegeben, wohin er letztlich wollte, hatte aber mit deutlichen Richtungsangaben dieses Parkhaus angesteuert. »Er wusste genau, wo es lag und dass hier nichts los sein würde.«
    Die Komplizin hatte natürlich auch diesen Ort überprüft. Die beiden hatten sich hier getroffen und waren vermutlich nach Utah aufgebrochen.
    »Können Sie sich noch an irgendetwas anderes erinnern?«, fragte Dance.
    Billy sagte, unmittelbar nachdem der Kofferraumdeckel zugeschlagen worden sei, habe er noch einmal Pells Stimme gehört.
    »Ist jemand bei ihm gewesen?«
    »Nein, da war nur er. Ich glaube, er hat jemanden angerufen. Er hatte mein Telefon.«
    »Ihr Telefon?«, fragte Dance überrascht und schaute zu O’Neil, der sofort die technische Abteilung des Sheriff’s Office benachrichtigte. Die Kollegen sollten sich mit dem Mobilfunkanbieter des Fahrers in Verbindung setzen, um das Telefon aufzuspüren.
    Dance fragte, ob Billy verstanden habe, was Pell gesagt hatte. »Nein. Das war bloß undeutliches Gemurmel.«
    O’Neils Telefon klingelte. Er hörte eine Weile zu. »Nichts«, sagte er dann zu Dance. »Das Gerät wurde entweder zerstört, oder der Akku ist leer. Es lässt sich kein Signal feststellen.«
    Dance sah sich um. »Er hat es irgendwo weggeworfen. Hoffentlich in der Nähe. Jemand sollte in den Mülleimern nachsehen – und in den Gullys.«
    »Außerdem im Gebüsch«, sagte O’Neil und betraute zwei seiner Deputies mit der Aufgabe.
    TJ kam hinzu. »Er war also tatsächlich hier. Nenn mich verrückt, Boss, aber ich würde eine ganz andere Strecke nehmen, falls ich nach Utah wollte.«
    Ob Pell nach Utah unterwegs war oder nicht, sein Abstecher nach Monterey schien ungewöhnlich. Es war eine kleine Stadt, in der er leicht entdeckt werden konnte. Überdies gab es hier weitaus weniger Fluchtrouten, als wenn er nach Osten, Norden oder Süden gefahren wäre. Ein riskanter Ort, um sich mit seiner Komplizin zu treffen, aber ein brillanter Schachzug. In Monterey hätten sie zuletzt mit ihm gerechnet.
    An Dance nagte noch eine andere Frage.
    »Billy,

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