Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
in allen Einzelheiten.
    Kathryn betrat das kleine Wohnzimmer. Die halb vollen Kleiderund Bücherkartons – vor allem Letztere – ließen erkennen, dass die Mieter erst kürzlich eingezogen waren. An den Wänden hingen billige Drucke. Abermals stiegen ihr Kochdüfte in die Nase – doch diesmal roch es nach Hamburger und Zwiebeln, nicht nach frischen Kräutern.
    Ein hübsches, rundliches Mädchen mit Zöpfen und Brille hatte einen Zeichenblock in der Hand. Sie blickte auf und lächelte. Dance winkte ihr zu. Die Kleine war ungefähr in Wes’ Alter. Auf der Couch saß ein etwa fünfzehnjähriger Junge und war völlig in ein chaotisches Videospiel versunken. Er drückte hektisch die Knöpfe, als hinge der Fortbestand der Zivilisation von ihm ab.
    In der Türöffnung erschien Morton Nagle und zog sich den Hosenbund hoch. »Hallo, hallo, Agent Dance.«
    »Kathryn, bitte.«
    »Kathryn. Meine Frau Joan haben Sie ja schon kennengelernt.« Ein Lächeln. »Und... he, Eric. Leg das... Eric!« Er musste lachen. »Leg das weg.«
    Der Junge speicherte den Spielstand ab – Dance wusste, wie wichtig das war – und legte das Gamepad hin. Dann sprang er auf.
    »Das ist Eric. Sag Agent Dance guten Tag.«
    »Agent? Wie beim FBI?«
    »So ähnlich.«
    »Cool!«
    Dance schüttelte dem Teenager die Hand. Er starrte die Waffe an, die an ihrer Hüfte hing.
    Das Mädchen, das immer noch den Block umklammert hielt, kam schüchtern näher.
    »Nun, dann stell dich mal vor«, drängte die Mutter.
    »Hallo.«
    »Wie heißt du?«, fragte Dance.
    »Sonja.«
    Sonjas Gewicht ist ein Problem, merkte Dance. Die Eltern sollten sich lieber schnell darum kümmern, obwohl ihnen angesichts des eigenen Körperbaus vermutlich nicht klar ist, welche Schwierigkeiten das Kind bereits damit hat. Kathryns kinesisches Fachwissen gestattete ihr vielerlei Einblicke in die psychischen und emotionalen Schwächen der Menschen, und sie musste sich immer wieder selbst ermahnen, dass sie eine Ermittlungsbeamtin war und keine Therapeutin.
    »Ich habe die Nachrichten verfolgt«, sagte Nagle. »Sie hätten ihn beinahe erwischt?«
    »Wir waren ein paar Minuten zu langsam«, sagte sie und verzog das Gesicht.
    »Darf ich Ihnen etwas anbieten?«, fragte seine Frau.
    »Nein danke«, sagte Dance. »Ich kann nur kurz bleiben.«
    »Kommen Sie in mein Büro«, sagte Nagle.
    Sie betraten ein kleines Zimmer, in dem es nach Katzenpisse stank. Ein Schreibtisch und zwei Stühle waren das gesamte bewegliche Mobiliar. Neben einer mit Klebeband ausgebesserten Tischlampe stand ein Laptop, auf dessen Tastatur die Buchstaben A , H und N besonders stark abgenutzt waren. Es gab hier unzählige Papiere und zirka zwei-oder dreihundert Bücher, in Kartons und in den Regalen verstreut, auf der gesamten Heizung und in mehreren Stapeln am Boden. »Ich habe meine Bücher gern um mich.« Er nickte in Richtung des Wohnzimmers. »Meine Familie auch. Sogar der junge Mann mit den flinken Fingern. Wir suchen uns ein Buch aus, und dann lese ich jeden Abend laut daraus vor.«
    »Das ist schön.« Dance und ihre Kinder machten etwas Ähnliches, obwohl es eher mit Musik zu tun hatte. Wes und Maggie verschlangen Bücher, aber sie lasen sie lieber für sich allein.
    »Natürlich finden wir trotzdem noch Zeit für echte Kultur … Survivor und 24 .« Nagles Augen hörten einfach nicht auf zu funkeln. Dann kicherte er, weil er merkte, dass Dance sich fragte, wie viel von dem Material wohl für sie bestimmt sein mochte. »Keine Angst. Der da ist Ihrer, der kleine.« Er deutete auf einen Karton mit Videokassetten und fotokopierten Unterlagen.
    »Möchten Sie nicht doch etwas trinken?«, fragte Joan von der Tür aus.
    »Nein, vielen Dank.«
    »Sie können auch gern zum Abendessen bleiben.«
    »Tut mir sehr leid, aber das geht nicht.«
    Sie lächelte und ging weg. Nagle nickte ihr hinterher. »Sie ist Physikerin.« Mehr sagte er nicht.
    Dance berichtete ihm von der bisherigen Entwicklung des Falles und erklärte, sie seien sich ziemlich sicher, dass Pell in der Gegend bleiben würde.
    »Das wäre verrückt. Die ganze Halbinsel sucht nach ihm.«
    »Sollte man meinen.« Sie erzählte von Pells Suchanfragen im Internet, aber Nagle fiel zu Alison oder Nimue nichts ein. Und er konnte sich auch nicht erklären, weshalb der Killer eine Seite mit Satellitenbildern aufgesucht hatte.
    Dance schaute zu dem Karton, den er für sie vorbereitet hatte. »Ist ein Lebenslauf dabei? Irgendwas Kurzes?«
    »Kurz? Nein, nicht wirklich. Aber

Weitere Kostenlose Bücher