Die Menschenleserin
gewesen war.
»Bloß ein paar Sachen, die wir brauchen. Und etwas zu essen.«
Jennie sah ihn verblüfft an. »Du hast etwas zu essen gekauft?«
Was denn, war dies etwa das erste Mal, dass ein Freund ihr Lebensmittel mitgebracht hatte?
»Das hätte ich doch übernehmen können«, versicherte sie sogleich, wies auf die Kochnische und fügte mechanisch hinzu: »Gut. Dann koche ich dir jetzt was.«
Seltsamer Satz. Jemand hatte ihr beigebracht, so zu denken. Ihr Exmann oder einer der nichtsnutzigen späteren Freunde. Tim der Biker.
Halt’s Maul und mach mir was zu essen ...
»Schon in Ordnung, Liebling. Ich kümmere mich darum.«
»Du?«
»Sicher.« Pell kannte Männer, die darauf bestanden, dass »die Frau« sie umsorgte. Sie hielten sich für die Könige des Haushalts, die man gefälligst zu bedienen hatte. Es verlieh ihnen ein Gefühl von Macht. Aber sie begriffen nicht, dass es eine Schwäche war, auf jemanden angewiesen zu sein. (Außerdem, wie blöd kann man sein? Jeder weiß doch, wie einfach es ist, Rattengift in die Suppe zu schütten.) Pell war kein Meisterkoch, aber schon vor Jahren, als eigentlich Linda die Familie bekochte, hatte er gern Zeit in der Küche verbracht, war den anderen zur Hand gegangen und hatte alles im Auge behalten.
»Oh, und du hast sogar was Mexikanisches gekauft!« Lachend packte sie das Hackfleisch aus, die Tortillas, Tomaten, Dosenpaprika und Soßen.
»Du hast erzählt, dass du es magst. Wohlfühlessen. He, Liebling.« Er küsste sie auf den Kopf. »Du hast dich heute im Restaurant gut gehalten.«
Sie wandte sich von den Lebensmitteln ab und sah zu Boden.
»Weißt du, ich hab mich so erschreckt. Ich hatte Angst. Ich wollte nicht schreien.«
»Nein, nein, du warst standhaft. Weißt du, was das heißt?«
»Nicht wirklich.«
»›Sei standhaft‹ ist ein alter Wahlspruch der englischen Seeleute. Sie ließen sich die Buchstaben auf die Finger tätowieren, und wenn sie die Fäuste ballten, konnte man die Worte lesen: ›Hold fast.‹ Es bedeutet, dass man nicht wegrennt.«
Sie lachte. »Ich würde niemals von dir weglaufen.«
Er berührte mit den Lippen ihren Kopf, roch Schweiß und billiges Parfum.
Sie rieb ihre Nase an ihm.
»Wir sind ein Team, Liebling.« Was sie aufhören ließ, sich an ihm zu reiben.
Pell merkte es sich.
Er ging ins Badezimmer, pinkelte ausgiebig und wusch sich Gesicht und Hände. Als er zurückkam, fand er eine zweite Überraschung vor.
Jennie hatte sich bis auf BH und Slip ausgezogen und zündete mit einem Feuerzeug die Kerzen an.
Sie sah ihn an. »Du hast gesagt, du magst rot.«
Pell ging lächelnd zu ihr. Strich mit der Hand über ihre knochige Wirbelsäule.
»Oder möchtest du lieber essen?«
Er küsste sie. »Wir essen später.«
»Oh, ich will dich, Baby«, flüsterte sie. Das war eindeutig ein Spruch, den sie in der Vergangenheit schon oft aufgesagt hatte.
Was nicht bedeutete, dass sie es in diesem Moment nicht ernst gemeint hätte.
Er nahm ihr das Feuerzeug ab. »Um die Atmosphäre kümmern wir uns auch später.« Er küsste sie erneut und zog sie an sich.
Sie lächelte – diesmal aufrichtig – und drückte sich fester gegen seinen Schritt. »Ich glaube, du willst mich auch.« Ein Schnurren.
»Ja, ich will dich, Liebling.«
»Ich mag es, wenn du mich so nennst.«
»Hast du Strümpfe dabei?«, fragte er.
Sie nickte. »Schwarze. Ich zieh sie gern für dich an.«
»Nein. Ich möchte etwas anderes damit machen«, flüsterte er.
... Achtzehn
Es gab noch eine Sache zu erledigen, dann würde dieser lange Tag vorbei sein.
Kathryn Dance fuhr auf ein schlichtes Haus in dem Niemandsland zwischen Carmel und Monterey zu.
Als noch Fort Ord, die riesige Militärbasis, der größte Arbeitgeber der Region gewesen war, hatten Offiziere mittleren Ranges hier gewohnt und oft auch ihren Ruhestand verbracht. Davor, zur Zeit des Fischfangs und der Konservenfabriken, lebten in dieser Gegend Vorarbeiter und Abteilungsleiter. Dance hielt vor dem bescheidenen Bungalow, ging durch die Pforte des Staketenzauns und folgte dem steinernen Plattenweg zur Vordertür. Gleich darauf wurde sie von einer sommersprossigen, fröhlichen Frau Ende dreißig begrüßt. Dance wies sich aus. »Ich möchte gern mit Morton sprechen.«
»Kommen Sie doch herein«, sagte Joan Nagle lächelnd. Da sie weder überrascht noch besorgt wirkte, folgerte Dance, dass ihr Mann von seiner Rolle bei den Ereignissen des heutigen Tages erzählt hatte, wenngleich vielleicht nicht
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