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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Lake City wollte, den er angerufen hatte.
    Kathryn?
    Er hatte so eine Ahnung, dass sie ihm die Utah-Geschichte nicht abgekauft hatte, auch nicht nach dem Trick mit Billys Telefon und der Tatsache, dass er den Fahrer lebendig zurückgelassen hatte. Pell fragte sich, ob sie die Pressemitteilung bezüglich Utah mit Absicht lanciert hatte, um ihn in die Öffentlichkeit zu locken.
    Was tatsächlich funktioniert hatte, dachte er wütend.
    Wohin auch immer er ging, es kam ihm so vor, als würde sie die Fahndung nach ihm leiten.
    Wo mochte sie wohnen? Er rief sich ins Gedächtnis, wie er sie bei dem Verhör eingeschätzt hatte – die Kinder, der Ehemann – und wie ihre kaum merkliche Reaktion darauf ausgefallen war.
    Kinder, ja, Ehemann, vermutlich nicht. Eine Scheidung erschien ihm wenig wahrscheinlich.
    Pell blieb stehen und fotografierte die Sonne, die im Pazifischen Ozean versank. Es war wirklich ein herrlicher Anblick.
    Kathryn als Witwe. Interessante Vorstellung. Er spürte, wie der Ballon in seinem Innern sich wieder aufblähte.
    Es gelang ihm irgendwie, das Gefühl zu verdrängen.
    Vorläufig.
    Er betrat eine kleine Bodega und kaufte ein paar Dinge ein. Seine Wahl war auf diesen Laden gefallen, weil hier nicht alle fünf Minuten sein Gesicht in den Nachrichten gezeigt werden würde. Er behielt recht, auf dem winzigen Bildschirm lief bloß eine Seifenoper in spanischer Sprache.
    Im Asilomar, einem Naherholungsgebiet, trafen Pell und Jennie sich wieder. Der prächtige Park umfasste einen halbmondförmigen Strand für erfahrene Surfer und, näher zu Monterey hin, einen zunehmend zerklüfteten Küstenstrich aus Felsen, lautstarker Brandung und spritzender Gischt.
    »Alles in Ordnung?«, fragte sie ihn ängstlich.
    »Aber ja, mein Liebling. Mach dir keine Sorgen.«
    Sie führte ihn durch die stillen Straßen von Pacific Grove, einer einstigen Methodistensiedlung voller eingeschossiger Wohnhäuser im entweder viktorianischen Stil oder dem der Tudorzeit. »Wir sind da«, verkündete Jennie nach fünf Minuten und deutete auf das Sea View Motel, ein braunes Gebäude mit kleinen Bleiglasfenstern, einem hölzernen Schindeldach und Schildern mit Schmetterlingen über den Türen. Der kleine Ort war nicht nur als die letzte Stadt Kaliforniens berühmt, in der ein Ausschankverbot für Alkohol herrschte, sondern auch für die Monarchfalter, die sich hier von Herbst bis Frühjahr zu Zehntausenden sammelten.
    »Ist es nicht niedlich?«
    Kann sein, dachte Pell. Es war ihm völlig gleichgültig. Was zählte, war die Tatsache, dass das Zimmer nicht an der Straße lag und dass der hintere Parkplatz eigene Zufahrten besaß, die ideale Fluchtrouten darstellen würden. Sie hatte genau die Art von Motel ausgesucht, die er ihr aufgetragen hatte.
    »Es ist perfekt, mein Liebling. Genau wie du.«
    Sie verzog das hübsche Gesicht zu einem Lächeln, wenngleich nur halbherzig; der Zwischenfall bei dem Restaurant steckte ihr noch in den Knochen. Auch das war Pell egal. Der Ballon in ihm hatte sich wieder geregt. Er war sich nicht sicher, ob wegen Kathryn oder wegen Jennie.
    »Welches ist unseres?«
    Sie zeigte darauf. »Komm mit, Schatz. Ich habe eine Überraschung für dich.«
    Hm. Pell mochte keine Überraschungen.
    Sie schloss die Tür auf.
    Er nickte auffordernd. »Nach dir, mein Liebling.«
    Und griff nach der Pistole im Hosenbund. Er spannte sich an und machte sich bereit, Jennie als menschlichen Schild ins Zimmer zu stoßen und sofort das Feuer zu eröffnen, sollte er die Stimme eines Cops hören.
    Aber es war kein Hinterhalt. In dem Zimmer lauerte niemand. Pell schaute sich um. Es war sogar noch besser, als man von außen erwartet hätte. Regelrecht feudal. Teure Möbel, Vorhänge, Handtücher, sogar Bademäntel. Und ein paar hübsche Gemälde. Küstenlandschaften, die Lonesome Pine und mehr von diesen bescheuerten Schmetterlingen.
    Und Kerzen. Jede Menge. An buchstäblich jedem freien Fleck stand eine Kerze.
    Ach, das also sollte die Überraschung sein. Gott sei Dank brannten die Dinger nicht. Das hätte ihm gerade noch gefehlt – von einem Ausbruch zu kommen und sein Versteck in Flammen aufgehen zu sehen.
    »Hast du den Schlüssel?«
    Sie gab ihn ihm.
    Schlüssel. Pell liebte die Dinger.
    Ob für einen Wagen, ein Motelzimmer, ein Schließfach oder ein Haus, wer auch immer den Schlüssel besitzt, hat die Kontrolle.
    »Was hast du da?«, fragte Jennie mit Blick auf die Tüte. Er wusste, dass sie schon bei ihrem Treffen am Strand neugierig

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