Die Menschenleserin
Hunden die Köpfe.
»Ich hoffe, du schaffst es morgen zu Dads Party.«
»Lass uns beide hoffen, dass bis dahin alles vorbei ist.« Er stieg in seinen Volvo und fuhr die neblige Straße hinunter.
Ihr Telefon quakte.
»Hallo?«
»He, Boss.«
Sie konnte TJ kaum verstehen, weil im Hintergrund laute Musik dröhnte. »Geht das nicht etwas leiser?«
»Da müsste ich die Band fragen. Gibt’s was Neues zu Juan?«
»Sein Zustand ist unverändert.«
»Ich werd ihn morgen besuchen... Hör mal...«
»Das versuche ich ja.«
»Haha. Zunächst zu Pells Tante. Sie heißt Barbara Pell, aber ihr Hirn ist hinüber. Die Polizei von Bakersfield sagt, sie hat Alzheimer oder so. Sie weiß nicht mal mehr, wie spät es ist. Aber hinter dem Haus gibt es einen Schuppen oder eine Garage mit Werkzeugen und einigen anderen Sachen aus Pells Besitz. Jeder hätte einfach hineingehen und mit dem Hammer verschwinden können. Die Nachbarn haben nichts gesehen. Überraschung, Überraschung.«
»War das von Andy Griffith?«
»Aus derselben Show. Gomer Pyle.«
»Behält Bakersfield das Haus der Frau im Auge?«
»Positiv... Und ich habe ein paar Insiderinformationen für dich, Boss. Über Winston.«
»Über wen?«
»Winston Kellogg, den FBI-Typen. Den Overby gerufen hat, damit er den Babysitter für dich spielt.«
Babysitter ...
»Würdest du das bitte irgendwie anders ausdrücken?«
»Damit er dich beaufsichtigt. Dich überwacht. Dich bändigt.«
»TJ.«
»Okay, hör zu. Er ist vierundvierzig. Lebt in Washington, aber kommt aus Los Angeles. War mal in der Armee.«
Genau wie mein verstorbener Mann, dachte Dance. Der Militärdienst ebenso wie das Alter.
»Detective bei der Polizei von Seattle, dann zum FBI. Er gehört einer Abteilung an, die Kulte und damit zusammenhängende Verbrechen untersucht. Sie machen die Anführer ausfindig, führen die Verhandlungen bei Geiselnahmen und bringen Kultmitglieder mit Entprogrammierern zusammen. Die Einheit wurde nach Waco gebildet.«
Er spielte auf die Pattsituation in Texas an, die sich zwischen der Polizei und der von David Koresh geleiteten Kultgemeinschaft ergeben hatte. Der Versuch, die Mitglieder gewaltsam zu befreien, endete tragisch. Die Gebäude gingen in Flammen auf, und die meisten Bewohner starben, darunter auch mehrere Kinder.
»Er genießt behördenintern einen guten Ruf. Es heißt, er sei zwar ziemlich direkt, habe aber keine Angst, sich die Finger schmutzig zu machen. So hat mein Kumpel es zumindest ausgedrückt, aber ich habe keine Ahnung, was genau er damit meint. Ach, und noch etwas, Boss. Die Suche nach ›Nimue‹. Weder im VICAP noch sonst wo liegt etwas dazu vor. Von den Internetpseudonymen habe ich erst ein paar hundert überprüft. Die Hälfte ist nicht mehr aktuell, und die andere Hälfte scheint sechzehnjährigen Spinnern zu gehören. Ihre echten Nachnamen sind überwiegend europäisch, und ich kann niemanden finden, der eine Verbindung in unsere Gegend hat. Aber ich bin auf eine interessante Variation gestoßen.«
»Wirklich? Was denn?«
»Ein Online-Rollenspiel. Weißt du, was das ist?«
»Für Computer, nicht wahr? Eine dieser großen Kisten mit den vielen Kabeln?«
»Touché, Boss. Es spielt im Mittelalter, und man muss Trolle und Drachen und irgendwelche Ekelviecher erschlagen und Prinzessinnen retten. Eigentlich das, womit wir unsere Brötchen verdienen, wenn man mal genauer darüber nachdenkt. Wie dem auch sei, der Grund dafür, dass es bei unserer Suche anfangs nicht aufgetaucht ist, liegt an der abweichenden Schreibweise – N-i-X-m-u-e. Das Logo ist das Wort Nimue mit einem großen roten X in der Mitte. Es zählt zu den derzeit angesagtesten Online-Spielen, mit einem Umsatz von mehreren hundert Millionen Dollar... Was ist nur aus meinem Liebling Miss Pac-Man geworden?«
»Pell kommt mir nicht wie jemand vor, der sich für Computerspiele interessiert.«
»Aber er ist jemand, der einen Softwareentwickler ermordet hat.«
»Guter Einwand. Geh der Sache nach. Aber ich nehme weiterhin an, dass es sich um einen Namen oder ein Pseudonym handelt.«
»Keine Angst, Boss. Ich kann mich um beides kümmern, bei all der Freizeit, die du mir lässt.«
»Gefällt dir die Band?«
»Schon wieder touché.«
Dance ließ Dylan und Patsy nach draußen, damit sie ihr abendliches Geschäft erledigen konnten, und suchte einmal schnell das Grundstück ab. In der Nähe parkten keine unbekannten Wagen. Sie rief die Hunde wieder herein. Normalerweise schliefen sie in der
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