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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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anerkennenswert. Bei all der Konkurrenz zwischen den Strafverfolgungsbehörden war es ungewöhnlich, ausgerechnet jemanden aus Washington so etwas sagen zu hören.
    »Wir wissen das zu schätzen«, sagte Overby.
    »Ich muss sagen, das gestern war ein guter Schachzug von Ihnen, sich die Restaurants vorzunehmen«, sagte Kellogg zu dem CBI-Chef. »Das wäre mir nie eingefallen.«
    Overby zögerte. »Wenn ich mich recht entsinne, habe ich Amy Grabe aber erzählt, dass Kathryn hier auf diese Idee gekommen ist«, sagte er dann.
    TJ räusperte sich leise, und Dance wagte es nicht, in seine Richtung zu schauen.
    »Nun, von wem auch immer, es war eine gute Idee.« Er sah Dance an. »Und welchen Vorschlag haben Sie gerade eben geäußert?«
    Dance wiederholte ihre Ausführungen.
    Der FBI-Agent nickte. »Die Familie wieder zusammenbringen. Gut. Sehr gut. Die drei müssten inzwischen entprogrammiert sein. Auch falls sie keine Therapie absolviert haben, dürfte schon allein die verstrichene Zeit sämtliche Überreste des Stockholm-Syndroms beseitigt haben. Ich bezweifle, dass sie Pell noch im mindesten loyal gegenüberstehen. Ich bin dafür, es zu versuchen.«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dance war nicht bereit, Overby aus der Klemme zu helfen.
    »Es ist eine gute Idee«, sagte ihr Chef schließlich. »Absolut. Das einzige Problem ist unser Budget. Sehen Sie, wir mussten in letzter Zeit...«
    »Die Kosten übernehmen wir«, sagte Kellogg und sah Overby dann einfach nur an.
    Dance hätte am liebsten laut losgelacht.
    »Sie?«
    »Falls nötig, lasse ich die Frauen von einem FBI-Jet einfliegen. Sind Sie einverstanden?«
    Der CBI-Chef war des einzigen Gegenarguments beraubt, das ihm auf die Schnelle einfallen wollte. »Wie können wir ein Weihnachtsgeschenk von Uncle Sam ablehnen?«, sagte er. »Danke, Amigo.«
     
    Dance, Kellogg und TJ waren in ihrem Büro, als Michael O’Neil hinzukam. Er gab dem FBI-Agenten die Hand und nannte seinen Namen. Kellogg ebenfalls.
    »Die sichergestellten Beweise aus Moss Landing haben nichts weiter erbracht, aber wir hoffen auf das Tal des Himmels und die Weinberge«, sagte O’Neil. »Das Gesundheitsamt nimmt außerdem Lebensmittelproben. Nur für den Fall, dass er sie mit Säure versetzt hat.« Er berichtete Kellogg von den Spuren, die während Pells Flucht in dem Thunderbird hinterlassen worden waren.
    »Aus welchem Grund sollte er so etwas tun?«
    »Als Ablenkungsmanöver. Vielleicht will er auch einfach nur anderen Menschen wehtun.«
    »Partikelspuren sind nicht mein Fachgebiet, aber es klingt wie ein guter Ansatz.« Dance war aufgefallen, dass der FBI-Agent während O’Neils Worten den Blick abgewandt und sich konzentriert alle Einzelheiten eingeprägt hatte.
    »Es könnte sich als nützlich erweisen, Ihnen einige Einblicke in die Kultmentalität zu geben«, sagte Kellogg dann. »Wir haben bei der MVCC ein generelles Profil zusammengestellt, und ich bin sicher, dass wenigstens ein Teil davon auf Pell zutrifft. Ich hoffe, es hilft Ihnen, eine Strategie zu entwickeln.«
    »Gut«, sagte O’Neil. »Ich glaube, keiner von uns hatte bisher mit jemandem wie diesem Kerl zu tun.«
    Dances anfängliche Skepsis hinsichtlich der Brauchbarkeit eines Kultexperten hatte sich gelegt, nachdem nun klar war, dass Pell einen für sie bislang undurchschaubaren Plan verfolgte. Sie war sich nicht mehr sicher, ob man diesen Killer mit herkömmlichen Tätern vergleichen konnte.
    Kellogg lehnte sich an ihren Schreibtisch. »Zunächst Folgendes: Wie der Name meiner Einheit vermuten lässt, betrachten wir die Mitglieder eines Kults als Opfer, was sie gewiss auch sind. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass sie genauso gefährlich wie der Anführer sein können. Charles Manson war bei den Tate/La Bianca-Morden nicht mal zugegen. Die Taten wurden von seinen Anhängern begangen.
    Übrigens, wenn ich von dem Anführer spreche, neige ich dazu, maskuline Artikel und Pronomina zu verwenden, aber Frauen können ebenso zielgerichtet und skrupellos wie Männer vorgehen. Und oft sind sie dabei noch heimtückischer.
    Kommen wir nun also zu dem grundlegenden Profil. Ein Kultführer erkennt keine andere Autorität als sich selbst an. Er hat stets hundertprozentig das Kommando inne. Er schreibt seinen Untergebenen auf die Minute genau vor, wie sie ihre Zeit zu verbringen haben. Er weist ihnen Aufgaben zu und hält sie konstant beschäftigt, notfalls mit sinnlosen Fleißarbeiten. Sie sollen keine Gelegenheit haben,

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