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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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erkennst.« Das Abendessen war ein langes und angenehmes gewesen. Geschieden, keine Kinder (obwohl er welche wollte) – Brian war beruflich stark eingebunden, ebenso wie Dance. Deshalb war es zwischen ihnen beiden zwangsläufig nur langsam vorangegangen. Was Dance durchaus gelegen kam. Sie war lange verheiratet gewesen und erst kürzlich verwitwet, also hatte sie es nicht eilig.
    Nach einem Monat mit diversen Abendessen, Kaffeestunden und Kinobesuchen hatten sie und Brian eine lange Wanderung unternommen und sich schließlich am Strand des Asilomar wiedergefunden. Ein goldener Sonnenuntergang, eine Schar Seeotter, die in der Nähe des Wassers spielten... wie sollte man da einem oder zwei Küssen widerstehen? Sie hatten nicht widerstanden. Kathryn erinnerte sich, dass es ihr gefallen hatte. Und dass sie sich deswegen schuldig vorgekommen war. Aber die angenehmen Gefühle hatten überwogen.
    Auf diesen Teil des Lebens kann man zwar eine Weile verzichten, aber nicht für immer.
    Dance hatte für sich und Brian keine speziellen Zukunftspläne geschmiedet, sondern alles einfach auf sich zukommen lassen, ohne bestimmte Erwartungen.
    Doch dann hatte Wes sich eingemischt. Er war nie direkt frech oder feindselig geworden, hatte aber auf ein Dutzend verschiedene Arten, die eine Mutter genau begriff, zu verstehen gegeben, dass Brian ihm überhaupt nicht gefiel. Dance war nicht mehr wegen des Trauerfalls in Behandlung, ging aber immer noch gelegentlich zu einer Therapeutin. Die Frau hatte ihr geraten, auf welche Weise man einen möglichen neuen Partner den Kindern vorstellen sollte, und Dance hatte sich genau daran gehalten. Aber Wes hatte sie ausmanövriert. Immer wenn die Sprache auf Brian gekommen oder Kathryn von einem Treffen mit ihm heimgekehrt war, hatte er mürrisch oder passiv-aggressiv reagiert.
    Das war ihm am Vorabend durch den Kopf gegangen, als er Der Herr der Ringe gelesen hatte.
    Und mit seiner heutigen Frage nach den Gästen der Party hatte der Junge eigentlich wissen wollen: Kommt Brian auch?
    Und damit gleichzeitig: Habt ihr auch wirklich Schluss gemacht?
    Ja, haben wir.
    Wenngleich Dance sich fragte, ob Brian das womöglich anders sah. Immerhin hatte er seit der Trennung nun schon mehrmals angerufen.
    Die Therapeutin hatte gesagt, Wes’ Verhalten sei normal, und Dance könne es in den Griff bekommen, sofern sie geduldig und konsequent bliebe. Am wichtigsten aber sei es, nicht zuzulassen, dass er sie kontrollierte. Doch letztendlich kam sie zu der Überzeugung, dass sie nicht geduldig und konsequent genug war. Also hatte sie vor zwei Wochen mit Brian Schluss gemacht. Sie war taktvoll geblieben und hatte ihm erklärt, es sei nach dem Tod ihres Mannes einfach noch zu früh; sie sei noch nicht bereit. Brian war zunächst ziemlich verletzt gewesen, hatte sich aber wieder gefangen, ohne böse Worte. Und sie hatten sich eine Hintertür offen gelassen.
    Lass uns eine Weile abwarten ...
    In Wahrheit war die Trennung eine Erleichterung; Eltern müssen sich entscheiden, welche Kämpfe sie ausfechten wollen, und eine mögliche neue Beziehung war ihr die Anstrengung im Augenblick schlicht nicht wert. Dennoch freute sie sich über Brians Anrufe und hatte sich dabei ertappt, dass er ihr fehlte.
    Sie trug Wein hinaus auf das Deck und fand ihren Vater bei Maggie vor. Er hielt ein Buch und deutete auf die Abbildung eines Tiefseefisches, der leuchtete.
    »He, Mags, der sieht aber lecker aus«, sagte Dance.
    »Mom, wie eklig.«
    »Herzlichen Glückwunsch, Dad.« Sie umarmte ihn.
    »Danke, Liebes.«
    Dance ordnete die Servierplatten an und stellte Bier in den Kühlschrank. Dann ging sie in die Küche, nahm ihr Mobiltelefon und ließ sich von TJ und Carraneo auf den letzten Stand bringen. Die Suche nach Pell war weiterhin ergebnislos verlaufen, und auch der vermisste Ford Focus war bislang nirgendwo aufgetaucht. Die Namen oder Pseudonyme Nimue und Alison hatten nichts erbracht, und sie waren auf keine Hotels, Motels oder Pensionen gestoßen, in denen Pell und seine Komplizin ein Zimmer gemietet haben könnten.
    Kathryn war versucht, auch Winston Kellogg anzurufen, weil sie annahm, er sei vielleicht zu schüchtern, aber dann ließ sie es doch bleiben. Er wusste Bescheid; er würde entweder herkommen oder nicht.
    Dance half ihrer Mutter beim Auftragen weiterer Speisen. Als sie auf das Deck zurückkehrte, konnte sie dort Tom und Sarah Barber begrüßen, ihre Nachbarn, die nicht nur Wein und ein Geburtstagsgeschenk mitgebracht

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