Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu
alle über das Mittagessen der Kawamura. Erst vor kurzem hatte sie ein Buch über Anti-Aging herausgegeben. Kaoru hatte den Inhalt in einer Buchhandlung kurz überflogen.
Gesundes Essen, Schönheitsgymnastik, mentale Einstellung, kurz und gut: der übliche nichtssagende Ratgeber. Auch die Kawamura verkaufte sich als »vierzig Jahre, aber jung geblieben«.
Irgendwie hatte Kaoru nun wenig Lust, ihre eigene Lunchbox zu öffnen. Das Essen darin war mit noch weniger Kalorien zubereitet. Außerdem wollte sie nicht mit dieser Frau verglichen werden.
»Das sieht ja überraschend lecker aus«, rief sie mit freudiger Stimme und blickte auf das angelieferte Essen. Sie rührte die von Kumi hingehaltene Tragetasche nicht an und schickte sie mit einer Handbewegung weg.
»Heute werde ich mir auch ein Lunchpaket genehmigen«, sagte sie und setzte sich an den Tisch. Sie hob den Deckel und stopfte sich eine frittierte Garnele in den Mund.
»Hmm, lecker!« Sie schenkte allen Seiten ein Lächeln. Mit einem Schlag wuchs die Anspannung in ihr.
»Frau Shiraki, ich wusste gar nicht, dass Sie so etwas essen«, wunderte sich ein Kollege.
»Ja, ich liebe frittierte Garnelen oder Schnitzel«, antwortete sie und führte mit den Stäbchen einen kleinen Ballen Reis zum Mund.
»Und trotzdem sind Sie so schlank? Ich habe nie gesehen, dass Sie einmal zugenommen hätten.«
»Ja, warum wohl? Ist bestimmt meine körperliche Veranlagung«, antwortete sie in bewusst entspannter Haltung. Die Kawamura verzog angewidert das Gesicht.
»Frau Shiraki kommt vom Tokyo-Musicalensemble, und da hat das harte Tanztraining bestimmt zu einem regelmäßig hohen Kalorienverbrauch pro Tag geführt«, suchte ein weiterer Kollege nach einem plausiblen Grund, der für die Anwesenden wohl überzeugend klang, wie man an ihrem Nicken sehen konnte.
So ein Unsinn! Es war schon mehr als einen Monat her, seit sie Frittiertes gegessen hatte.
»Es gibt eben manchmal Leute, die ohne etwas zu tun jung bleiben.«
Wohl kaum. Alle bemühten sich, im Verborgenen die überflüssigen Pfunde loszuwerden, koste es was es wolle.
»In Akasaka gibt es ein hervorragendes Schnitzelrestaurant. Nächstes Mal lassen wir unser Essen von da kommen!«
»Toll, ich bin dafür!«, rief sie wie ein kleines Schulmädchen mit gestrecktem Arm.
Natürlich dachte sie nicht im Traum daran. Wehe, jemand würde das wahr machen, giftete sie still vor sich hin.
Da sie schon einmal mit Essen angefangen hatte, blieb ihr nichts weiter übrig, als weiterzuessen. Mit Gewalt zwang sie sich zu einem fröhlichen Gesichtsausdruck, der davon kündete, wie sehr ihr das Essen mundete, doch im Innern würgte sie das Essen in einem Tal der Tränen hinunter. Währenddessen stand Kumi mit düsterer Miene in einer Ecke des Probenraumes.
Bei der Fortsetzung der Probe am Nachmittag hatte Kaoru Schwierigkeiten, ruhig zu bleiben. Der Verdauungsprozess ihres Mittagessens hatte eingesetzt, und sie glaubte zu spüren, wie die Fette in alle Poren ihres Körpers drangen. Sie hatte schon lange kein Fett mehr zu sich genommen, und deshalb würden die ausgetrockneten Zellen geradezu danach lechzen. Auf diese Weise nahmen auch Sumoringer zu. Sie trainierten auf leeren Magen, und mit ausgetrocknetem Körper nahmen sie Unmengen von proteinhaltiger Nahrung auf.
Allein die Gedanken daran ließen Kaoru jedwede Konzentration verlieren. Wie viele Kalorien hatte dieses Mittagessen wohl gehabt? Eine frittierte Großgarnele, zwei Stücke Schnitzel und Reis ergaben gut und gerne 250 Gramm, dazu noch Soße und
Mayonnaise. Das alles überstieg garantiert tausend Kilokalorien. Ihre Fingerspitzen begannen zu zittern.
»Frau Shiraki, was ist denn mit Ihnen? Sie sind jetzt dran«, sagte der Regisseur zu ihr.
»Entschuldigung, ich habe einen Moment nicht aufgepasst.« Sie setzte ein Lächeln auf und las ihre Stelle.
Das war nicht gut. Während sie hier las, machte sich das Fett in ihrem Körper breit. Einmal angesetztes Fett wieder loszuwerden war eine Heidenarbeit. Kaoru konnte nicht mehr still sitzen bleiben und sprang plötzlich auf.
Alle starrten sie an. »Ja, bitte?«, erkundigte sich der Regisseur.
»Kann ich im Stehen weitermachen?«, bat Kaoro. Ihr war heiß, doch sie täuschte Gelassenheit vor.
»Ich finde, beim Lesen im Sitzen kommt keine Stimmung auf.«
»Gut, von mir aus …«
Sie hätte am liebsten sofort damit angefangen, die eingenommenen Kalorien abzubauen. Jede Sekunde zählte, und sitzend würden sich die Kalorien in
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